Kultur: Loblieder auf eine vergangene Zeit
Der Lautenist Lutz Kirchhof im Schloss Glienicke
Stand:
Es gab eine Zeit, da muss der Himmel über Prag voll Lauten gehangen haben. Zeitgenossen überlieferten, dass man mit der Vielzahl dieser Instrumente die Dächer hätte decken können. Eine Zeit im 16. und 17. Jahrhundert, die Lutz Kirchhof ins Schwärmen geraten lässt. Jahrhunderte lang soll die Laute das beliebtes Instrument in Europa gewesen. Mancher Musikwissenschaftler schätzt, dass für kein anderes Instrument so viel komponiert wurde wie für die Laute. Heute zählt sie zu den Exoten unter den klassischen Instrumenten, lockt ihr feiner, weicher und zurückhaltende Klang nur noch wenige Zuhörer in die Konzertsäle.
Knapp 40 Gästen waren in das Schloss Glienicke gekommen, um Lutz Kirchhof mit seinem Programm „La Rhetorique des Dieux“ zu erleben. Mit Kirchhof war einer der bekanntesten Lautenisten in Potsdam zu Gast. Schon im Alter von zwölf Jahren gab er seine ersten Konzerte und schloss vor zehn Jahren seine Forschungen zur vollständigen Rekonstruktion historischer Lauenspieltechniken von Virtuosen wie John Dowland und Sylvius Leopold Weiss ab. Kirchhof ist Musiker und Wissenschaftler zugleich. Und wenn Kirchhof in Archiven nach alter Lautenliteratur forscht, dann vor allem nur aus einem Grund: Den Klang dieses zauberhaften Instruments noch authentischer klingen zu lassen.
Kirchhofs Konzert im Schloss Glienicke wurde zu einem Paradebeispiel in Sachen Lautenkunst. Ungekünstelt und noch immer mit einem Staunen in seiner Stimme über die einstige Blütezeit seines Instruments erklärte er sein Programm „La Rhetorique des Dieux“. Die Sprache der Götter wurden die virtuosen Kompositionen genannt, die Mitte des 17. Jahrhunderts in Paris entstanden. Sie waren listige Antwort auf Strömungen aus Italien, die wieder verstärkt das Wort als die Botschaft Gottes in den Vordergrund der Musik stellten und somit die Laute zum reinen Begleitinstrument degradierten. Die neuen Kompositionen aus Paris waren von der menschlichen Stimme nicht zu singen, sie stellten die Laute wieder in den Vordergrund als „La Rhetorique des Dieux“.
Mit zwei Sonaten des deutschen Lautenvirtuosen und Bachfreund Sylvius Leopold Weiss umrahmte Kirchhof sein Programm. Es folgten Stücke von Ennemond und Denis Gaultier, Robert de Visée, dem Hoflautenisten des Sonnenkönigs Ludwig XIV. und Pierre Du But. Mit bestechender Technik und frappierender Leichtigkeit präsentierte Kirchhof diese musikalischen Kleinode. Jedes Detail, jede noch so feine Verzierung bedachte er mit lyrischem Ausdruck, so dass jede dieser oftmals vor Ideen überschwellenden Kompositionen durchschaubar und verständlich blieb. Und Kirchhof zeigte mit seinem klaren, tänzerischen Ton, vor allem bei den „Canaries“ aus der Feder eines unbekannten Komponisten, dass diese Musik bei allem Anspruch vor allem eines ist: Einfach nur schön.
Bei diesem Konzert im kleinen Saal des Schlosses Glienicke hing zwar nicht der Himmel voller Lauten, doch Lutz Kirchhof gelang es spielend, beim aufmerksamen Hörer eine Ahnung von dieser einstiegen Blütezeit der Laute hervorzurufen. Dirk Becker
Dirk Becker
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: