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Kultur: Lobpeisend und begeisternd

Monteverdis „Marienvesper“ auf Hermannswerder

Stand:

Monteverdis „Marienvesper“ auf Hermannswerder Die Ideale der Antike sind verblasst, der Humanismus der Renaissancezeit gerät unter die Fuchtel des Absolutismus und seiner barocken Auswüchse. In dieser gesellschaftlichen Wendezeit schafft der Cremonenser Claudio Monteverdi (1567-1643) mit seinen Werken wie der „Marienvesper“ (1610) einen nicht minder weit reichenden musikalischen Umbruch. Er führt technische und stilistische Neuerungen in die Musikpraxis ein: er erfindet das Tremolo und das Pizzicato, verwendet die Violine als Soloinstrument innerhalb des Streicherensembles. Ganz in diesem Seconda prattica genannten „neuen Stil“ steht jene „Vespro della Beata Vergine“, derer sich der Kammerchor Hermannswerder und das Susato Ensemble unter Leitung von Dietrich Schönherr am Sonntag in der Inselkirche annehmen – ein Griff zu den Sternen historisch orientierten Musizierens und Singens. Um es vorwegzunehmen: beides gelingt vorzüglich! Der Einleitungschor „Domine ad adjuvandum“ schwingt sich auf mächtiger D-Dur-Fläche durch das bis auf den letzten Platz gefüllte Gotteshaus. Die Stimmen der überwiegend jungen Sänger präsentieren sich in prächtiger Verfassung. Sie sind frisch, beweglich, von staunenswerter Intonationsreinheit. Es klingt vorzüglich zusammen, was zusammengehört. Das Orchester, mit den Spielmanieren alter Musik hinreichend vertraut, liefert dazu den menschenstimmenimitierenden „Background“ aus Streichern, Bläsern (Posaunen, Cornetti, Blockflöten) und Continuo (Laute, Cembalo, Dulzian, Truhenorgel). Bereits in der ersten Psalmvertonung „Dixit Dominus“ führt der Komponist die gesamte Palette seiner musikalischen Gestaltungsmittel vor, die er im Verlauf seiner lobpreisenden, dreizehnteiligen Vertonung der Marienverehrung verwendet. Versweise alternieren chorische mit solistischen Stimmen. Letztere sind auch optisch in den Chor integriert. Wer dabei welches Stimmfach singt, ist dem Programmheft leider nicht mit letzter Bestimmtheit zu entnehmen. Durch diese Einbindung fungieren die Solisten gleichzeitig als Stimmführer der jeweiligen Chorgruppen. Kontrastreich stellt der Dirigent dabei homophone mit polyphonen Chorpartien gegenüber. Es lässt sich gut verfolgen. Vom Lobpreisen auch in den anderen Psalmen verstehen alle eine Menge. Die Leichtigkeit und Lebendigkeit des Singens bürgt dafür. Weichgetönt und voller Leuchtkraft stimmen sie unter anderem das „Nisi Dominus“ (Psalm 126) an, inbrünstig die oftmaligen Gloria-Anrufungen. Statt liturgischer Antiphone sind zwischen die Psalmvertonungen vier Concerti eingeschoben, in denen die Solisten ihr Können im verzierungsreichen Vortrag beweisen. Zur reich ausgezierten Cembalobegleitung stimmt Ingo Jander (Tenor) das „Nigra sum“ als zarten Liebesgesang an. Im „Pulchra est“-Duett der Soprane (Maria Meckel, Almut Wilke) verströmt sich Innigkeit; im „Duo Seraphim“ sind es zwei Tenöre, die sich psalmodierenden Tonfalls um seraphischen Gesang bemühen. Das Concerto IX „Audi coelum“ erhält durch einen zweiten, aus einer Seitennische singenden Tenor einen reizvollen Echoeffekt – ein deutlicher Verweis auf die Aufführung in San Marco in Venedig, für deren besondere raumakustischen Verhältnisse die „Marienvesper“ konzipiert war. Ähnlich verhält es sich mit einzelnen Instrumentalisten, die aus verschiedenen Ecken des Kirchenraumes heraus ihren Part spielen. Sehr eindrucksvoll gelingt dem Susato Ensemble die instrumentale, posaunendominierte Sonata sopra mit hinzugefügter Litanei „Sancta Maria“. Der vibratolose, „ziehende“ Klang der Violinen geht mit Cornettokoloraturen eine klangprächtige Verbindung ein. Blockflöten begleiten die „Vitam praesta“-Sequenz des Altus (Markus Dietzsch). Sehr verinnerlicht und stimmungsvoll erklingt der Hymnus „Ave maris stella“, voller Glanz und Pracht die abschließende „Magnificat“-Vertonung. Der engagierten, von innerer Bewegung und Anteilnahme erfüllten Aufführung fällt stürmischer Beifall zu. Peter Buske

Peter Buske

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