Kultur: Luftholen ist Zeitverschwendung
„Culture Vibes for Charity“ im Waschhaus Potsdam
Stand:
„Culture Vibes for Charity“ im Waschhaus Potsdam Sieben Studentinnen des Fachbereichs Sozialwesen der Fachhochschule Potsdam haben etwas auf die Beine gestellt, was als „Konzert-Abend eine nur unzureichende Beschreibung und Würdigung erfährt. „Culture Vibes for Charity“, ein Festival mit großen Namen der Reggae- und Dancehall-Szene lockte am Freitag Hunderte Tanzfreudige ins Waschhaus und hielt die Besucher bis in die frühen Morgenstunden auf der Tanzfläche. Der gesamte Erlös der Veranstaltung wird an Projekte in Nairobi gespendet. Ein guter Zweck, ein fabelhaftes Line-Up. Die lange Schlange vor dem Waschhaus sprach für sich. Mistah Bomsh grooven das Publikum ein und stellen sich als „Mörder der negativen Vibrationen“ vor, aber die wurden eh“ vor der Tür gelassen. Mit P.R. Kantate hält danach der Klamauk Einzug. Das die „Berliner Schnauze“ in einer Umfrage auf Platz 2 der erotischsten Dialekte landete, kommt dem „Plattenreiter“ nur zu Gute So kann der weibliche Teil dahinschmelzen, wenn P.R. Kantate seine Traumfrau als „Schnuckelijett Ding“ bezeichnet. Höchst erotisch. Es dauert nicht lange, bis das Unvermeidliche bei Kantate-Auftritten passiert. Sein Alter Ego nimmt Besitz von ihm und die Bühne in Beschlag: „Rass Krass“, der Joints verschlingende Pseudo-Jamaikaner im rot-gelb-grünen Unterhemd. Bei seiner Patois-Version des Modern Talking-Würgers „You“re my heart, you“re my soul“ wäre Bohlen das Grinsen sicher schnell vergangen. Weiter geht es im „Berlingua“-Stil: Kreuzberger Hinterhof kreuzt selbstsicher Calipso-Flair, die Formel geht auf. Mit Glitzerumhang und seinem Markenzeichen, dem Diskokugel-Jockeyhelm, dichtet er seine Hymne auf die Hauptstadt ortsbedingt kurzerhand um: „Wo steppt der Bär? In Berlin!“ wird zur Freude der Anwesenden zu „Wo fliegt der Adler? In Potsdam!“. Das Publikum ist lokalpatriotisch befriedet und singt zum Dank lauthals den Hit, vor dem es im Sommer 2003 kein Entrinnen gab: „Görlie, Görlie“. Nach diesem Glitzer-Gewitter wirkt der kleine Mann, der sich mit seiner Gitarre am Bühnenrand positioniert eher unscheinbar. Nach wenigen Sekunden aber verwandelt Martin Jondo mit seiner außergewöhnlichen Stimme das Publikum in eine homogen wogende Masse. Sein Organ hat schon Seeed-Songs veredelt und vermag es den Saal auch ohne Begleitung zu erfüllen. Zur Sicherheit holt er sich dann aber das Publikum als Verstärkung, das Bob Marley-Klassiker wie „Roots, Rock, Reggae“ oder „Get up, Stand up“ natürlich im Blut hat. Der Abend wird später, die Luft dünner, doch der Strom feinster Tanzmusik reißt nicht ab. „Daddy Freddy“ lässt die Vermutung aufkommen, dass Luftholen für ihn reine Zeitverschwendung bedeutet. Im Guiness Buch der Rekorde stand er schon viermal in der Kategorie „Schnellster Sänger der Welt“. Glauben wir gerne. Seine Band hat Mühe; dem exzentrischen Geschnatter zu folgen. Seine Zunge schlackert ohne Pause, während er im Adrenalinrausch die Bühne abhoppst. Als letzter Live-Act bringen die sechs Mcs von „Culcha Candela“ mit ihrem DJ Chino die Masse zum Toben. Dreadlocks wirbeln durch die Luft, Hände gehen nach oben und das Publikum springt bereitwillig zu den treibenden Rhythmen. Nach sieben Stunden Dauer-Tanz keine Selbstverständlichkeit. Den Sommer haben uns „Culcha Candela“ mit „In da City“ versüßt, dem Publikum im Waschhaus kredenzen sie einen einfallsreichen Genre-Mix. Hip Hop flirtet wild mit Reggae und Salsa schaltet sich eifersüchtig ein. Über Sprachgrenzen sind die Jungs eh erhaben: Spanisch, Englisch oder Deutsch – das Gefühl im Bauch und besonders in den Beinen ist entscheidend. Hamanja, eine der Initiatorinnen ist vom Abend ebenfalls begeistert: „Die Resonanz war einfach überwältigend! Alle haben sich königlich amüsiert und der Abend lief so, wie wir es uns in unseren kühnsten Vorstellungen erträumt haben“, schwärmt sie. Christoph Henkel
Christoph Henkel
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: