Kultur: Lust am Lauten
Singakademie Potsdam mit Orff und Gershwin im Nikolaisaal
Stand:
Im Vergleich zu anderen Amateurchorvereinigungen des Landes und der Stadt tritt die Singakademie Potsdam ziemlich selten auf. Wenn, dann mit Werken, die eine Menge Menschen in Trab bringen und den Nikolaisaal bis auf den letzten Platz füllen. Wie bei der jüngsten Offerte von Carl Orffs unverwüstlicher „Carmina Burana“, der die Aufführung der Konzertversion von Gershwins „Porgy and Bess“ voran ging. Hier wie dort konnte Chordirektor Edgar Hykel seiner Lust am Lauten ungehemmt frönen. Williger Partner war ihm dabei das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt, dessen Musiker den Intentionen des Dirigenten ohne Wenn und Aber folgten – auch oftmals gegen ihr künstlerisches Gewissen, das bei der Begleitung „ihrer“ Singakademie wahrlich zu anderen Tönen findet.
Dass unter diesen vorlauten Vorgaben die Potsdamer Singakademie und die Solisten häufig an die Grenzen stimmlicher Belastbarkeit gerieten, scherte Edgar Hykel kaum. Wenn Fortunas Glücksrad anfangs und zum Schluss im Fortefortissimo mit geradezu martialischer Inbrunst in Schwung gebracht wurde, scheinen weitere Steigerungen schier unmöglich – oder sie geraten in die Nähe des Schreiens. Spätesten dann waren die Grenzwerte der EU-Lautstärkenorm erreicht. Zum Glück saß kein Richtlinienkontrolleur im Saal.
An solche undifferenzierten Vorgänge musste sich das Ohr erst gewöhnen. Erfreulicherweise gab es zwischendurch auch Ruhepunkte, an denen sich die Seele der Hörer sammeln und die Stimmbänder der Ausführenden erholen konnten. Mit Einbruch des Frühlings („Primo vere“) begann eine erstaunliche dynamische Differenzierung, bei der die Choristen sich als rhythmisch sattelfest, total textverständlich, bestechend sauber und präzise singend erwiesen. Beim Liebeswerben „Uf dem Anger“ ging es girrend und klangsinnlich zu, und auch bei der „Cour d“amours“, eingeleitet von den „unschuldigen“ Stimmen des Kinder- und Jugendchors der Singakademie, zeigten sich alle Chorgruppen ohne jegliche stimmliche Schärfen – besonderes Kompliment jedoch an die Sopranriege! Dass sich die Männer trotz überzahlreicher Frauenpower nicht zu unkultiviertem Gesang hinreißen ließen, spricht ebenfalls für sie.
Und die Solisten? Mit seinem kleinen, lyrisch geprägten, über wenig Tiefe verfügenden Bariton konnte Ulf-Dirk Mädler nicht den Anforderungen an Durchschlagskraft („Ego sum abbas“) entsprechen. Wieder und wieder wurden seine „Wortmeldungen“ vom Orchester/Chor lautstark übertönt. Überzeugend sang Countertenor Matthias Koch die Klage des gebratenen Schwans („Olim lacus colueram“). Als Liebesumworbene bei der „Cour d“amours“ zeigte sich die kanadische Sängerin Denise Pelletier ganz von ihrer lieblich-lyrischen Sopranseite. Leicht und unangestrengt formte sie lange Legatolinien, schwebte gleichsam im siebten Himmel. Doch beim ekstatischen „Dulcissime!“ versagten die Stimmbänder ihr die makellose Mitwirkung.
Dennoch: was sie in der „Carmina“ an Wandlungsfähigkeit vorführte, blieb in der „Porgy and Bess“-Kurzvariante weitgehend unausgeführt. Ob als Titelheldin, Serena oder Fischersfrau – aller Ariengesang klang aus kraftvoller Kehle immer gleich. Fehlte ihr der Zugang zu den jeweiligen Innenwelten?! Ohne Feeling tönte „Summertime“, ohne sich verströmendes Gefühl das Liebesduett mit Dirk-Ulf Mädler als Porgy. Mit seiner hohen Stimmlage sang er auch Sportin“ Lifes Bekenntnis „It ain“t nesessarily so“. Ihm wie auch den Instrumenten waren sinnliche Schleifer wie das Laszive nicht zu entlocken. Es fehlte gleichsam an jener schwarzamerikanischen Folie, derer die Oper nun einmal bedarf. Dafür swingte der Chor – nicht immer nach Herzenslust, brüllte sich die Stimmbänder fast heiser. Übrigens: lautstark, wie dargeboten, wurden auch alle Beteiligten gefeiert.
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