Kultur: Lustvolle Saitenkunst
Rolf Lislevand im Schloss Babelsberg
Stand:
Sie hat an sich schon Spielzeugcharakter, die kleine, schmalbrüstige und zerbrechlich wirkende Barockgitarre. Ein reichverziertes Äußeres und ein heller, bassloser Ton, der nicht mit großer Lautstärke punktet. Die Musik eher ein filigranes Lichtspiel als farbenprächtiges Klanggemälde. Ein exotisches Instrument für Liebhaber.
Als Rolf Lislevand am Freitag im ausverkauften Tanzsaal des Schlosses Babelsberg seine Barockgitarre zur Hand nahm, wirkte dieses kleine Instrument fast schon lächerlich. Lislevand, knapp zwei Meter groß, dazu diese Miniatur vor seiner Brust. Man befürchtete, ein Schlag mit seinen großen Händen auf die Saiten würde genügen, um Kleinholz aus dieser Gitarre zu machen. Es sei gesagt, dass Lislevand manch prachtvollen Rasgueado-Sturm zu entfachen wusste und seine Barockgitarre nicht schonte. Doch unter seinen Händen war besagte Schmalbrüstigkeit schnell vergessen und es blieb nur Staunen darüber, welch spanisches Feuer in diesem Instrument stecken kann.
Mit „Vollkommenes Lautenspiel. Die Blüte der Lautenmusik in Nord-Italien“ war das Programm des Norwegers Lislevand überschrieben. Vermessen dieses „Vollkommen“, schraubt es doch die Erwartungen unnötig in die Höhe, einen Abend absoluter Perfektion zu erleben. Falsch auch, weil Lislevand sich nicht auf die Laute beschränkte und was die Komponisten betraf, weltweit unterwegs war.
Trotzdem: Lislevand war ein Erlebnis und sein Konzert zeigte, warum er einer der herausragendsten Interpreten auf den alten Saiteninstrumenten ist. Ob Barockgitarre, Renaissancelaute, mit der er den Abend eröffnete, oder die Theorbe, stupende Technik, die vor Leichtigkeit förmlich zu glänzen scheint, dazu ein unschlagbares Rhythmusgefühl gepaart mit einem lyrischen und facettenreichen Ton. Lislevand nahm die gebannten Zuhörer mit auf eine musikalische Reise, die vor Bildhaftigkeit nur so strotzte.
Virtuose Kraftmeierei, hier im überaus sympathischen Sinne, wie in Francesco Corbettas „Caprice de Chaconne“ wechselte mit dem tänzerisch Bodenständigen und müheloser Vermischung verschiedenster Stile eines Santiago de Murcia. Mit Alessandro Piccinini und Johann Hieronymus Kapsberger die unschlagbaren, üblichen Verdächtigen, wenn es um das Ausschöpfen der Möglichkeiten auf der Theorbe geht.
Zum Abschluss dann wieder die Barockgitarre mit Antonia de Santa Cruz, Caspar Sanz und de Murcia. Der hatte in vielen seiner Kompositionen keine Schlussnote gesetzt, weil er vom Spieler erwartete, dieser solle mit eigenen Improvisationen eine Ende finden. Lislevand nahm diese Einladung lustvoll und ausgelassen an.
So viele Bravo-Rufe wie nach diesem Konzert im Schloss Babelsberg sind selbst für die Musikfestspiele außergewöhnlich.Dirk Becker
Dirk Becker
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: