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Kultur: Lustvoller Tastendonnerer

Klavierabend mit Wladimir Mogilewski im Nikolaisaal / Farbschattierungen hielten sich in Grenzen

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Klavierabend mit Wladimir Mogilewski im Nikolaisaal / Farbschattierungen hielten sich in Grenzen Er spiele von Bach bis zur Moderne alles, heißt es in der Biografie. Und weiter kann man lesen: Er sei immer auf der Suche nach Raritäten. Mag sein, doch was der russische Pianist Wladimir Mogilewski bei seinem Auftritt im Nikolaisaal spielt, verbleibt im Rahmen des Üblichen. Zielstrebigen Schritts eilt er zum Steinway-Flügel. Eine knappe Verbeugung vor dem Publikum, dann überreicht er seine pianistische Visitenkarte. Alsbald wird deutlich, dass seinem virtuosen, klanglich brillanten Spiel etwas Kraftmeierisches anhaftet. Den Zuhörern gefällt es - sie feiern ihn ausgiebig. Von schierer Spiellust nur so strotzend gibt sich Joseph Haydns 50. Klaviersonate C-Dur, deren einleitender Allegrosatz mit einem federleicht zu spielenden Staccato-Thema anhebt. Was leider kein Thema für Wladimir Mogilewski ist, der es mit gleichsam durchgetretenem Gaspedal durchmisst. Sturm und Drang ist sein Motto. Die durchaus vorhandene geistige Nähe zu Beethoven lässt ihn jedoch von Haydns Absichten und stilistischen Besonderheiten ein wenig zu weit abrücken. Gestochen klar ist Mogilewskis Anschlag, extrem seine Dynamik, die Hell-Dunkel-Skizze sein Metier. Manuell kennt sein Tastatieren keine Hürden. Er phrasiert kurz. Er donnert, was Noten und Klaviatur hergeben. Er entfacht ein Feuer, an dem sich die Seele allerdings nicht wärmen kann. Auch im Adagio-Satz kultiviert er eine relative Nüchternheit. Von Aufblühen ist weit und breit keine (Klang-)Spur zu entdecken. Zupackenden Zugriffs und klaren Blicks besteigt er in Edvard Griegs e-Moll-Sonate op. 7 Norwegens Berge. Als lustvoller Kraftdonnerer dringt er in Höhlen ein, beobachtet als Antilyriker das Treiben der Trolle. An Mogilewskis vollgriffigem Klaviersatz und der draufgängerischen Spielmanier hätte Liszt bestimmt seine Freude gehabt. Grieg sicherlich weit weniger. Differenzierungen und Farbschattierungen hielten sich in Grenzen. Auch bei Stücken von Franz Schubert wird es kaum besser. In dessen „Zwölf Grätzer Walzern“, reich versehen mit jodelnden Dreiklangsbrechungen, perlt er Brillanz. Den Charme dieser Miniaturen müssen wir uns jedoch hinzudenken. Wenn Mogilewski jedoch mit angezogener Handbremse spielt, blüht es plötzlich unter seinen Fingern auf. Leider ein viel zu seltener Griff zu diesem Bewegungsverlangsamer. Im Es-Dur-Impromptu führt er rauschende Geläufigkeit vor; in der bekannten As-Dur-Variante klingt bisweilen eine Ahnung von Herzenswärme und Lieblichkeit auf. Doch diese verflüchtigen sich bei der kraftstrotzenden Wiedergabe der Wanderer-Fantasie C-Dur sogleich. Die ihr innewohnende Virtuosität kitzelt der Pianist nicht nur im Allegro con fuoco beeindruckend heraus. Da ist er erneut in seinem Element, bei leisen und lyrischen Abschnitten nicht. Neue Einsichten in seine Klavierkunst lassen sich dabei nicht gewinnen. Viel raffinierter gestaltet er dagegen die Zugaben: eine Skrjabin-Piece (für die linke Hand) und Schubert/Liszts „Valse Caprice“.Peter Buske

Peter Buske

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