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Kultur: Lyrisch und zerrissen

Das Hoffmeister-Quartett spielte Titz

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Er galt als Meister des langsamen Satzes. Anton Ferdinand Titz aus Nürnberg, Geiger und Kammermusiker in St. Petersburg, war kein Unbekannter in Europa. Dass man sich erst in unseren Tagen seiner wieder erinnert, ist zu großen Teilen dem Deutschen Kulturforum östliches Europa geschuldet. Der stellvertretende Direktor Klaus Harer initiierte die Gesamtausgabe und die Ersteinspielung seiner Werke. Zum zehnjährigen Jubiläum des Forums präsentierte das Hoffmeister-Quartett, benannt nach dem Komponisten und engen Freund Mozarts, im Brandenburgsaal der Staatskanzlei zwei Werke aus der kürzlich erschienenen dritten CD mit Streichquartetten von Anton Ferdinand Titz.

Der Zeitgenosse von Josef Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart verbreitete die damals so neue und unerhörte Kunst des Streichquartetts am Hof der Zarin Katharina der Großen. Allerdings war diese dort spätestens seit Haydns „Russischen Quartetten“ op. 33 keineswegs unbekannt. Die rund 20 Jahre danach von Anton Titz komponierten Quartette F-Dur und a-moll weisen neben Gemeinsamkeiten auch viele eigene Züge auf. Das F-Dur-Quartett kultiviert eine überwiegend ausgewogene musikalische Sprache. Allerdings führt die Violine durchgehend in allen drei Sätzen, während die drei anderen Instrumente bloß begleitende Funktionen übernehmen. Dieses auf den Stil des „Quattuor brillant“ weisende Werk verbindet klassische Aura mit eleganten und empfindsamen Linien in der Solo-Violine.

Eine gewisse Gewöhnung erfordert der leicht nasale, in der Höhe gläserne Ton der Violinen von Ulla Bundies und Christoph Heidemann, die wie alle Mitglieder des Hoffmeister-Quartetts auf Originalinstrumenten mit Darmsaiten spielen. Klarheit, Stringenz und Akkuratesse standen bei dieser Interpretation im Vordergrund. Im guten Sinne ungebärdiger ging es beim Quartett a-moll zu, das einen ausgesprochen zerrissenen, frühromantischen Tonfall pflegt. Nach einem melancholischen Beginn im Siciliano-Rhythmus folgt ein stürmisch aufrüttelndes Thema, das den ersten Satz mit vielen harmonischen und dynamischen Kontrasten prägt. Den von Zeitgenossen beschriebenen unausgeglichenen, „unerklärlichen Seelenzustand“ von Anton Ferdinand Titz konnte man sich nach diesem Satz durchaus vorstellen.

Das Finale zeigt sich als volkstümliche Polonaise voller Prunk und Temperament, eine beliebte Tanzmusik für den russischen Hof, die von Hoffmeister-Quartett mit schwungvoller Verve vorgetragen wurde. Das Urteil der Zeitgenossen über die langsamen Sätze erweist sich in beiden Werken als zutreffend. Im F-Dur-Quartett erklingt elegischer Gesang der Violine, gepaart mit kleinen Trillern und Punktierungen und gehaltenen Noten, so dass ein Eindruck von Suchen und Tasten ersteht. Die Romance des a-moll-Quartetts bezaubert mit lyrischen Adagio-Klängen, die schon auf die verwunschenen Welten der Romantik hindeuten. Christoph Heidemann fand hier die richtigen Töne an der ersten Violine, nachdem er mit Ulla Bundies gewechselt hatte. An der Viola sekundierte Aino Hildebrandt zuverlässig und klangschön. Das Cello wurde von Martin Seemann formvollendet gespielt. Als Zugabe gab es ein liebliches Menuett von Karl Ditters von Dittersdorf. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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