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Kultur: Lyrisches aus dem Königreich der Stadt Dota und die Stadtpiraten im Waschhaus

Es ist in letzter Zeit ein wenig ruhig geworden um Dota Kehr, die Berliner Liedermacherin, die sich auch gern als Kleingeldprinzessin bezeichnet. Es gab noch Zeiten, da war Dota mit ihrer Gitarre an fast jeder Gießkanne anzutreffen, meist allein, nur mit ihrer Gitarre.

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Es ist in letzter Zeit ein wenig ruhig geworden um Dota Kehr, die Berliner Liedermacherin, die sich auch gern als Kleingeldprinzessin bezeichnet. Es gab noch Zeiten, da war Dota mit ihrer Gitarre an fast jeder Gießkanne anzutreffen, meist allein, nur mit ihrer Gitarre. Das hatte allzu oft etwas Melancholisches, ganz anders als die Aufnahmen, die sie mit ihrer Band Stadtpiraten machte – und die immer ein wenig schwungvoller waren, was einer Band ja auch leichter fällt als einer Solokünstlerin.

Am Sonntag war sie deshalb nicht nur mit Band im Waschhaus, sondern hatte sogar noch zusätzliche Verstärkung mitgebracht: Dota plus ihre Stadtpiraten plus Streicher. Das Königreich der Kleingeldprinzessin hat sich vergrößert, was natürlich auch ihre gefühlte Abwesenheit erklärt. Doch ihre Rückkehr auf eine Potsdamer Bühne schien sehnsüchtig erwartet worden zu sein, das Waschhaus war brechend voll, trotz sonntäglicher Prime Time und trotz des doch recht stolzen Eintrittspreises – aber die sieben Musiker wollen eben auch alimentiert werden.

Und die Berliner Geschichtenerzählerin ließ sich nicht lumpen, eines ihrer bislang besten Konzerte in stickig-heißer Atmosphäre zu geben: Obwohl es ein Stehkonzert war, gab es kein Durchkommen mehr, sodass einige auf der Suche nach frischer Luft an der Eingangstür verharrten. Unterdessen sang Dota von einer Kakerlake, die in ihrem Bett saß, mit einer lyrischen Verspieltheit, die über die textliche Schwere hinwegtäuschte. Denn das muss man ihr einfach lassen: Dota ist eine der großartigsten deutschen Lyrikerinnen. Die versprochenen Streicher ließen sich noch ein paar Songs lang Zeit, in denen sich Dota ganz mit den Stadtpiraten austoben konnte. Und dann kam es, das Trio mit Violine, Bratsche und Cello: „Für uns ist das eine ganz neue Welt: die Welt der Noten“, entschuldigte sie sich fast. Aber da scheint ganz viel Arbeit drinzustecken, ein Jammer, dass die vielen Anwesenden den zarten Sound in der wabernden Luft schluckten: Gesang, Gitarre und Schlagzeug blieben im Vordergrund.

Mit dem Einsetzen der Streicher kam aber auch die melancholische Komponente, die so gut zu Dotas doppelbödig-tiefsinnigen Texten passt, mit denen ihr eine schlichte und schöne Wahrhaftigkeit gelingt – eine lyrische Dichte, die manchmal sogar ein wenig an das Pathos älterer Lieder – etwa eines Manfred Krug – erinnern mag: Beide teilen sich die Leidenschaft für zwischenmenschliche Geschichten, die mit ergreifender Stimmlage erzählt werden.

Im Zentrum standen Geschichten aus der großen Stadt, etwa über das „Ohrsteckermädchen“, das sich „in den Maschen der Netze dieser Stadt“ verliert – in leichtfüßigem Erzählton, mit Dotas eingängiger, in ihrem Charakter oft schwebenden, leicht dissonanten Stimme. Doch das Beste war, dass ihr dabei recht gut gelang, ein richtiges Rockkonzert zu spielen, ohne auf verklärte Lagerfeuermusik zurückzufallen. Und genau das macht die Künstlerin so angenehm – eine jazzige Verspieltheit, die gern auch mit Reggae-Elementen glänzt, beispielsweise in ihrem großartigen Song „Utopie“, der auf keinem ihrer Konzerte fehlen darf: „Ich habe viel zu viel Ärger und viel zu wenig Wut“, singt sie da. Aber das Ärgerliche suchte man an diesem Abend vergebens: ein wunderbares Konzert einer großartigen Liedermacherin. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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