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Kultur: Lyrischkomisch

Rowohlt und Maintz in der Waschhaus Arena

Stand:

Geradezu berühmt berüchtigt sind die Live-Auftritte Harry Rowohlts seit Jahren. Denn der Herr mit dem gewaltigen Rübezahlbart und der Grabesstimme ist ein wahrer Meister der eloquenten Abschweifungen, der die üblichen Konzepte und Rahmen sprengt, wo immer sie sich andeuten. Endlos lange dauerten früher seine als Lesungen getarnten Vorstellungen, so lange zumindest, bis er die Whiskyflasche vor sich ausgetrunken hatte. In der Potsdamer Waschhaus Arena nun stand Rowohlt am Samstagabend hingegen unter dem reichlichen Einfluss von Limonade, die ihn aber ebenso redselig machte, gute drei Stunden lang.

Man kann seine Gäste, artig auf der Bühne stehend, mit den üblichen Grußformeln erfreuen. Nicht so Harry Rowohlt, der stattdessen gleich drei Gedichte von F. W. Bernstein am Stück vortrug, nachdem er sich wie ein Referent neben seinen Kompagnon Christian Maintz hinter einem kleinen Tisch gesetzt hatte. Damit war der richtige Takt für die nun fortan regelmäßig einsetzenden Lachsalven angeschlagen. „Lieber Gott, du bist der Boss, Amen! Dein Rhinozeros“ hieß der Abend vor 300 Gästen in der fast ausverkauften Waschhaus Arena, an dem Rowohlt komische deutsche Lyrik von Heinrich Heine über Christian Morgenstern, natürlich Wilhelm Busch und Joachim Ringelnatz bis hin zu F. W. Bernstein und immer wieder Robert Gernhardt vortrug.

Der Germanist und Autor Christian Maintz spielte dazu ergänzend, wie er selbst einräumte, die etwas undankbare Rolle des Kommentators, dessen literaturtheoretischen und -historischen Erläuterungen zu einzelnen Gedichten dennoch erfreulich komprimiert ausfielen, wusste er doch nur zu gut, dass die wissenschaftliche Lektüre über Komiktheorien tatsächlich bisweilen deprimierend sein kann. Also ging man vom Trockenen schnell wieder ins frisch Konkrete, zu Exempeln und Motiven, wie den allzeit beliebten Tieren wie in „Nur gut, dass neuerdings die Raben so schöne Cowboystiefel tragen“ oder auch dem Alkohol, die das zum Lachen Komische seit je her in Versform transportieren, so auch bei Busch: „Das Schlüsselloch wird leicht vermisst, wenn man es sucht, wo es nicht ist.“

Die durchweg anhaltende Begeisterung des Publikums lag zweifelsohne an Rowohlts unvergleichlicher Art, solche und etliche andere Zwei- oder Vierzeiler darzubieten. Eine schon fast schauspielerische Leistung! Bedächtig seine Brause trinkend, mal säuselnd matt, dann wieder mit grollender Bassstimme rezitierend, war er mit abwechselnd verstellter Tonlage den Versen auf der Spur und unterbrach sich dabei überdies doch häufig selbst, weil ihm schon wieder eine witzige Anekdote eingefallen war. Jedes Referat, jeder Vortrag wäre hier schon hoffnungslos zusammengebrochen. Harry jedoch schweifte ab, plauderte, was das Zeug hielt, ließ den ganzen Saal in sein mit scharfzüngig wortwitzigen Episoden angefülltes Nähkästchen blicken und auch einmal das ganze amüsierte Kollektiv dem ewigen „Handyteufel“ nachlauschen.

So wie sich Komik prinzipiell durch Kontraste auszeichnet, so unglücklich und blass wirkte in solchen Momenten Christian Maintz, wenn er daneben sitzend, mit einer Sportlehrerstimme, etwa eigene Gedichte vortrug. Der Applaus der Potsdamer, dann ein warmer Akt der Höflichkeit? Dass Gedichte wegen ihrer Kürze, der Reimform und gerade in Anbetracht ihrer unkomischen Tradition komikgeeignet sind, wurde jedenfalls durch den Rezitator Rowohlt überzeugender belegt denn durch den Dozenten Maintz, der der Komik partout keinen versöhnlichen Charakter zuordnen wollte, dabei jedoch vergaß, dass ihr ja auch keine Lebenshaltung zugrunde liegt wie etwa dem Humor.

Lange und ausgiebig aber hatte man an diesem Abend über Lyrik gelacht. Vielleicht verharrte man ja jedes Mal aufs Neue angesichts der überraschenden, unernsten, wortwitzigen Paradoxien auf eine heitere Weise erst noch ratlos, bevor sich das Gelächter dann fast explosionsartig aus den Hälsen befreite, gar lustvoll. Auf diesen Effekt konnte Harry Rowohlt genauso gut setzen wie auf seine umwerfende Spielstärke. Daniel Flügel

Daniel Flügel

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