Kultur: Mächtige Ohnmacht
Hans Joachim Schellnhuber und Karen Duve diskutierten über den Klimawandel
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Kopenhagen, Dezember 2009 – im Bella Center mitten in der dänischen Hauptstadt spielt sich gerade eine Tragödie ab. Hinter den geschlossenen Türen des Konferenzzentrums verhandeln Delegierte aus den USA, China, Indien, Brasilien und Südafrika über die Bedingungen für ein internationales Klimaschutz-Abkommen. Europa sitzt bei den Nebenverhandlungen nicht mit am Tisch. Zu einer verbindlichen Einigung kommt es nicht mehr. Der 15. UN-Klimagipfel, auf dem so viele Hoffnungen ruhten, ist gescheitert. Hans Joachim Schellnhuber, als renommierter Klimaforscher ein Teilnehmer der Konferenz, ist zutiefst enttäuscht. Auf dem Weg aus dem Center überlegt er kurz, sich mit zu den Demonstranten zu stellen, die hinter den Absperrungen lautstark ihren Protest kundtun.
Diese Episode aus Schellnhubers brisantem Buch „Selbstverbrennung. Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff“ von 2015 zeigt, dass Klimawandel und Klimaschutz auch eine Frage von Macht und Ohnmacht ist. Zu diesem Thema diskutierte am vergangenen Donnerstag zum Pre-Opening des Literaturfestivals lit:potsdam unter dem Titel „Klima, Macht, Wandel“ Klimaforscher Schellnhuber, Gründer und heutiger Direktor des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, mit der Schriftstellerin Karen Duve. Passenderweise fand die Lesung mit Gespräch im beeindruckenden Forschungsneubau des PIK auf dem Telegrafenberg statt. Zusammen mit Kollegen warnt Schellnhuber bereits seit vielen Jahren vor den katastrophalen Folgen des Klimawandels.
Auch die Autorin Karen Duve hat das Thema für sich entdeckt und als wichtigstes globales Problem ausgemacht. In der bitterbösen Gesellschaftssatire „Macht“, ihrem jüngsten, sehr umstrittenen Roman, entwirft Duve ein in der nahen Zukunft spielendes Weltuntergangsszenario. Im Jahre 2031 regiert in Deutschland der Staatsfeminismus. Trotz des unabwendbaren Exitus gibt es für das Essen von Fleisch oder auch das Autofahren ein CO2-Punkte-System. Mitten in diesem Szenario hält der Hauptprotagonist Sebastian seine Frau seit zwei Jahren im Keller gefangen. Angewidert vom Feminismus und der Politik nimmt Sebastian stellvertretend für das männliche Geschlecht Rache. Es ist ein sehr zynisches und stereotypes Bild, das die Autorin skizziert. Auf die Frage der Moderatorin Astrid Frohloff vom RBB, ob sie Hoffnung habe, antwortet Duve: „Nein, ehrlich gesagt, wirklich nicht. Das Heulen und Zähneklappern kommt“, wenn der Klimawandel weitergehe wie bisher. Als Verursacher für den Klimawandel sieht Duve vorwiegend männliche Entscheidungsträger in hohen Positionen und politischen Ämtern, die kraft ihres Machtstrebens und -erhalts Veränderungen ablehnten.
Obwohl er durch seine Forschung die niederschmetternden Fakten und Widerstände zur Genüge kennt, ist Schellnhuber deutlich optimistischer. Die Einigung auf der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris, die globale Erwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius zu begrenzen, hat für ihn gezeigt, dass auch die Mächtigen den Klimaschutz ernst nehmen. Doch für ein Gelingen brauchen sie seiner Meinung nach die Unterstützung der einfachen Menschen, die von den dringend notwendigen Maßnahmen überzeugt werden müssten. „Die Ohnmächtigen werden die Mächtigen retten müssen“, sagte Schellnhuber. Es sei klar die Aufgabe der Wissenschaftler, aus ihren Elfenbeintürmen herabzusteigen und Stellung zu beziehen. Dann klappe es vielleicht mit den Zielen von Paris. Hoffentlich wird Schellnhuber Recht behalten.
Sarah Stoffers
Sarah Stoffers
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