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Kultur: Mädchenband adé

Bei Loosavanna ist in letzter Zeit einiges passiert – beim Landesrockwettbewerb zeigen sie was

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Bei Loosavanna ist in letzter Zeit einiges passiert – beim Landesrockwettbewerb zeigen sie was Von dirk Becker Es ist der Glaube an die Einfachheit, der immer wieder Heerscharen jugendlicher Enthusiasten in die hauseigenen Keller treibt. Der Glaube, dass es nicht mehr als drei Akkorde braucht, um eine einigermaßen passable Rockband zu gründen. Dass es dann etwas mehr bedarf, die Erkenntnis kommt später. Doch die Hartnäckigen sind dann längst schon hoffnungslos infiziert und pumpen lautstark und enthusiastisch ihr frisches Blut in den nimmermüden Satansbraten Rock''n''roll. Bei Loosavanna waren es fünf Akkorde, die vor Jahren die vier Mädchen Elli, Marie, Anke, Katja und einen noch reichlich jungen Vertreter des männlichen Geschlechts dazu bewogen, in einem kleinen Kellerraum am Traum zu arbeiten, in absehbarer Zeit mit ausgeklügeltem Saitenstreich die fünf Kontinente im Sturm zu nehmen. Mittlerweile sind aus den Mädchen junge Frauen um die 20 geworden und Schlagzeuger Benno, endlich 16, darf nun in der Öffentlichkeit unbehelligt sein Zigarettchen paffen. Den Traum vom internationalen Starruhm haben sie vorerst hinten angestellt. Denn kleinere Brötchen zu backen, kann schwer genug sein, wie sich beim morgigen Landesrockwettbewerb um die „Beste Band des Landes 2003" zeigen wird, wo Loosavanna gegen sechs weitere Mitbewerber antreten werden. Als Coverband begannen Loosavanna. Skunk Anansie, Cranberries und was gerade gefiel und zu ihnen passte, wurde nachgespielt. Bei einem dieser Auftritte wurde Jens Titze, vom Tonstudio F-Factor aus Werder, auf die jungen Musiker aufmerksam. Was ihm sofort auffiel, war die Frische, die von Loosavanna ausging. Fünf unterschiedlichste Persönlichkeiten, eine Band, die wie gecastet erschien, erinnert sich Titze. Eine Zusammenarbeit wurde beschlossen, um die eigenen musikalischen Ideen professionell umzusetzen. Doch diese ernsthafte Zusammenarbeit begann eigentlich erst vor einem halben Jahr und das mit einem „Anschiss“, wie Gitarristin und Sängerin Elli erklärt. Das Abitur lag gerade hinter den vier jungen Frauen und vor ihnen das schwarze Loch, in das sie nach all den Anstrengungen allzu gern gefallen wären. Doch Jens Titze konfrontierte sie mit der Frage, ob sie ernsthaft an ihrer musikalischen Entwicklung arbeiten wollen oder nicht. Das kratzte nicht nur am weiblichen Stolz. Die Fünf beschlossen, es dem Herrn Produzenten zu zeigen. Genau das, was Titze wollte. Mittlerweile haben Loosavanna, zusammen mit F-Factor, zehn eigene Lieder geschrieben. Lieder, die sich an ihren Vorbildern wie den experimentierfreudigen Muse oder Rage against the machine orientieren. Weichspülrock ist ihre Sache also nicht. Und so ist auch das Schlimmste, was sich Katja vorstellen könnte, irgendwann einmal auf einer Kuschelrock-CD zu erscheinen. Bloß nicht in die Ecke der Schmuskätzchenband abgeschoben werden, denn mit Klischees haben Loosavanna ihre Probleme. Noch immer werden sie zu gern als Mädchenband bezeichnet. Diese Verniedlichungsform lässt sie nur noch genervt die Augen verdrehen. Und dass viele immer noch glauben, das Rockgeschäft sei vor allem Männersache, bekommen sie oft zu spüren. Da trafen sie beim Vorausscheid zum Landesrockwettbewerb hinter der Bühne auf ihre männlichen Konkurrenten. Breitbeinig, mit der obligatorischen Bierbüchse in der Hand, musterten diese die jungen Frauen mit einem abschätzig-fragenden Blick: Na, ob die noch mehr können, als nur gut auszusehen? Nach ihrem Auftritt kamen die Herren der Schöpfung ob ihrer Lobpreisungen fast nicht mehr zur Ruhe, so Bassistin und Sängerin Marie. Derart zu überzeugen, das erhoffen sich Loosavanna auch für den morgigen Abend im Lindenpark. Dabei werden sie bewusst mit den Klischees spielen. „Wir sind nun mal Frauen“, erklärt Anke, die dritte im Gesangsbunde und zuständig für die Soloarbeit an der Gitarre. „Wer werden unsere Weiblichkeit nicht hinter irgendwelchen hässlichen Punkklamotten verstecken, weil das auch nicht zu uns passen würde.“ Und wer dann anfangs glaubt, die Vier sind nur nett anzuschauen, dem werden sie schon kräftig was vor die Ohren geben. Ein einziges Liebesleid haben sie bisher geschrieben. In den übrigen Texten thematisieren eher persönliche Krisen. „Wenn es uns dreckig geht, dann sind wir am kreativsten“, so Marie. Und so ist es kaum verwunderlich, dass ihre Ballade „Endless Rain“ immer wieder in exzessiven Akkordausbrüchen explodiert. Die Kraft des Rock''n''roll haben Loosavanna für sich entdeckt. Und egal wie der Landesrockwettbewerb für sie ausgehen wird, ob Sieg oder nicht. Zuerst einmal wollen sie zeigen, dass im vergangenen halben Jahr einiges passiert ist, dass Loosavanna mehr sind als eine nette Mädchenband. Und das wird ihnen mit Sicherheit gelingen.

dirk Becker

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