Kultur: Magerkost
Das Ensemble Exxential Bach führte unter der Leitung von Björn O. Wiede die Matthäus-Passion in der Nikolaikirche auf
Stand:
Eine bis auf den letzten Platz gefüllte Nikolaikirche bescherte die Aufführung der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach am Karfreitag. Das Ensemble Exxential Bach unter der Leitung von Björn O. Wiede sowie acht Solisten brachten beide Teile der Passion zu Gehör. Wie üblich wurden auch die Choräle von den Solisten gesungen. Thesen einiger Musikwissenschaftler über die ursprüngliche Aufführungspraxis der Bachschen Kirchenwerke führten in den vergangenen Jahren manchmal zum Verzicht auf die Chöre.
In Potsdam hat sich der Nikolaikantor Björn O. Wiede diese unter dem Etikett der authentischen Aufführungspraxis seit Längerem zu eigen gemacht. Gerade bei der Matthäus-Passion mutet eine derartig abgemagerte Interpretation etwas merkwürdig an. Denn hier hat Bach neben den Partien für zwei Chöre auch noch einen Knabenchor vorgesehen, der den Choral „O Lamm Gottes“ vortragen soll. Indessen bildet eines der ältesten Gemeindelieder für die Passionszeit, der Choral „O Haupt voll Blut und Wunden“ von Paul Gerhardt, das spirituelle und musikalische Zentrum der Matthäus-Passion.
Noch eine ganze Reihe anderer altbekannter Choräle machen daraus ein sehr volksnahes Werk, das letztlich auf aktive Teilnahme der Gemeinde zielt. Zumindest die Repräsentation der christlichen Gemeinde durch den Chor bildet ein wesentliches Element bei den Aufführungen aller großen Bachwerke. Lässt man ihn weg, führt das auch zu einem Verlust an sinnhafter, dramaturgischer Aussagewirkung. Spätestens seit der großen Bach-Renaissance hat man sich daran gewöhnt, diese Werke wie in einem Konzertsaal passiv zu konsumieren. Da Bach hier zwei Orchestergruppen mit Streichern und doppelt besetzten Flöten und Oboen vorgesehen hat, gab es, wenn alle zusammenspielten, ein recht sattes Klangbild. An den ersten Violinen saßen zudem mit Wolfgang Hasleder und Thomas Pietsch zwei Meister der barocken Spielweise.
Besonders viel zu tun hatten die acht Holzbläserinnen, die auf ihren Originalklang-Instrumenten höchst agil und klangschön die Soloarien begleiteten. Mit ihrem klaren, fadenfeinen Sopran gab Heidi Maria Taubert den Arien leuchtenden Ausdruck. Dem stand Karolina Brachmann, Sopran, kaum nach. Als Evangelist und Sänger stach Max Kiener mit bewährt formidabler Stimmfarbe und Führung heraus. Recht unterschiedlich zeigten sich die beiden Bassisten, Sebastian Bluth in der Rolle des Jesu mit hell timbrierter, leichter Stimme, und Bert Mario Temme als Judas mit düster-sonorem Organ. Anstelle von weiblichen Alt-Stimmen hatte Björn O. Wiede sich für zwei männliche Alti (David Erler, Moritz von Cube) entschieden, wodurch der Gesang ein Quantum an vokaler Wärme und Innigkeit einbüßte. Komplettiert wurde die Sängerriege durch den zweiten Tenor Hennig Kaiser. Der Nikolai-Kantor setzte die Zeichen vom Cembalo aus, das auch gelegentlich zum Einsatz kam. Nicht nur dann schien das Orchester bei fast durchgehend flotten, regelmäßigen Tempi fast von allein zu spielen. Orgel (Dagmar Lübking) und Gambe (Juliane Laake) ergänzten die in sich stimmige, doch kaum glanzvolle Aufführung.Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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