zum Hauptinhalt

Kultur: Magierin der Moderne

Orgelsommer-Konzert mit Angela Amodio

Stand:

Die Orgelbank ist eine Männerdomäne. Und so sind Organistinnen trotz aller Emanzipationsbestrebungen, unter anderem durch die französische Grande Dame Marie-Claire Alain, eine rare Spezies. Beim diesjährigen Internationalen Potsdamer Orgelsommer sind es gleich zwei Vertreterinnen, die eine Bresche in die Organisten-Phalanx schlagen. Zunächst eine Italienerin aus Wien: die in Bari geborene und an der katholischen Kirche Heilig Geist im Missionshaus St. Gabriel zu Mödling tätige Angela Amodio. Am Mittwoch gab sie an der Woehl-Orgel in der Friedenskirche ein nicht alltägliches Konzert, spielte fern des sonst Üblichen ausnahmslos Werke des 20. Jahrhunderts. Wohlgefällig waren die Klänge nicht immer, eher verstörend und zur gedanklichen Auseinandersetzung auffordernd.

Französisches lag ihr dabei besonders am Herzen. Nach sozusagen orchestraler Klangfülle verlangten das Allegro und Cantabile aus der e-Moll-Orgelsinfonie op.20 von Louis Vierne (1870-1937), wobei für letzteres die französische Disposition des III. Manuals mit seinen näselnden Zungenstimmen beste Wiedergabemöglichkeiten bot. In großer Ruhe, seelenerbaulich und weichstimmig breitete Angela Amodio des Stückes harmonisches Raffinement aus. Dagegen zeigte sie das Allegro als zerklüftet, motorisch treibend und dissonanzenreich vor, was sie durch scharfe und schneidende Prinzipalstimmen im Diskant noch verstärkte. Schließlich ließ sie das volle Orgelwerk rauschen und akkordisch brausen.

Eine klanggerechte Einstimmung auf die beiden „Fantaisies“ von Jehan Alain, deren erste mit insistierenden fragenden Floskeln aufwartet, die sich zunehmend als schrille, gleichsam schneidende Lichtstrahlen in einen bohrenden Pedalbass entpuppen. Nicht weniger prägnant registriert und mit analytischem Scharfsinn gespielt, zeigte die Organistin die linearen Verästelungen im Fantasie-Pendant. Eine mehr als passende Geste, zum Abschluss die Hommage „Prélude et fugue sur le nom d’Alain“ von Maurice Duruflé erklingen zu lassen. Und zwar in dem keinesfalls scharf streichenden Register der „Voix céleste“. Filigran und elfengleich, weichgetönt und den Eindruck unaufhörlicher huschender Bewegung erzeugend, bettete sich das Präludium wie zur Ruhe. Daraus erhob sich die Fuge mit aller Erhabenheit und gedanklichen Klarheit, um durch stetig gesteigertes Tempo in ein rauschendes Finale zu münden. Und da entpuppte sich Angela Amodio endgültig als eine Magierin der Moderne.

Was sie beispielsweise auch in Nocturne und Finale („The Offering“) des Briten William Albright eindrucksvoll unter Beweis stellte. Und dass der Italiener Nino Rota nicht nur legendärer Filmmusiklieferant für Federico Fellini, Lucino Visconti und Franco Zefirelli war, sondern ein ebenso ernst zu nehmender Klassiker, führte sie mit Rotas viersätziger, kurzweiliger und melodiengetränkter Sonata per organo vor. Wer wollte, konnte sich gedanklich durchaus ein Krimi-Szenario vorstellen, dessen Spannung sich mit entsprechenden harmonischen Wendungen ständig steigerte. Vibrierend, so als schleiche sich der Mörder hinterrücks an, ertönte das Adagio. Erneut stieg die Spannung. Dann fand die Auseinandersetzung ein plötzliches Ende: das Tatwerk war vollbracht. Trotz brandendem Beifall, eine Zugabe gab Angela Amodio leider nicht. Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })