Kultur: Mainstreamig im „Zauber des Barock“
Kammerphilharmonie Prag im Nikolaisaal
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Ja, wünscht man sich das überhaupt? Gewiss doch, denn festliche Klänge wie Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ oder Händels „Wassermusik“ passen immer. Vor allem in der Weihnachtszeit und zwischen den Jahren, jener Zeitspanne vom 25. Dezember bis 6. Januar also, die man seit alters her auch Hohe Tage oder Unternächte nennt. Das Publikum ließ sich von obiger „Zauber des Barock“-Offerte des Berliner Theaterclubs e.V. zu zahlreichem Erscheinen am Freitag in den Nikolaisaal locken. Als Wunscherfüllungsgehilfe fungiert die Tschechische Kammerphilharmonie aus Prag, eine auch in Deutschland weithin bekannte Tourneetruppe. Ihr Streicherensemble nimmt sich der weltberühmten vier Violinkonzerte „Le quattro stagione“ op. 8 Nr. 1 bis 4 von Antonio Vivaldi an, denen der Komponist jeweils ein Sonett vorangestellt und penibel in den Notentext einmontiert hat, damit ein jeder Hörer ja erfahre, was ihn klanglich erwarte.
Was an diesem Abend sich insofern als hilfreich erweist, da das Streicherensemble zwar präzise, notengetreu und routiniert zusammenspielt, es jedoch weitgehend an gefühlswarmer Geschmeidigkeit fehlen lässt. Was zuvörderst am Solisten Martin Kos liegt, der mit kräftigem und einheitlichem Bogenstrich, immer schön straff und einfallslos von oben nach unten, die Saiten zu klarem und stählernem Schwingen anspornt. Das Tutti tut es ihm gleich, sodass es vom Frühling bis zum Winter an Glanzlosigkeit wahrlich nicht mangelt. Und so dürfte diese straffe und klangharte, vorwiegend vibratoarme und effekthascherische Musizierhaltung wohl kaum als inspiriert zu bezeichnen sein.
Dagegen gerät das vogelzwitschernde Duettieren zwischen Solist und zweiter Geige, mit Violoncello oder Bratsche zu den wenigen überzeugenden Hörlichtblicken. Dann wird wieder straff artikuliert und einfallslos phrasiert. Auch teilt sich von den dynamischen Finessen der Partitur kaum etwas mit, weil die Instrumentalisten sich hauptsächlich in Fortebereichen aufzuhalten belieben. Es scheint, als sei eine preußisch gedrillte Gardefüsiliertruppe zur Hinrichtung des Komponisten angetreten. Und so geraten die jahreszeitlichen Beschreibungen mit ihren Klangfarbenreizen zu einer automatenhaften Nummernfolge. Wacker gesägt, meine Damen und Herren. Wie verwandelt erklingt dagegen die Largo-Zugabe aus dem „Winter“: innig, warm, klangvoll. Warum nicht alles so?!
Wesentlich erfreulicher hören sich dagegen die Händelschen Notenzutaten zu den „Königlichen Wasserfahrten“ auf der Themse an, wobei es bei der ersten zur legendären Versöhnung Händels mit König Georg I. kommt. Dieser Suite (F-Dur) lassen die Prager Musiker, nun um Hörner, Trompeten, Oboen und Fagott erweitert, eine zweite (D-Dur) folgen. Bläserische Zutaten sorgen für klangfarbenreiche Abwechslung, machen die mainstreamige Spielhaltung der Streicher mit ihrer kristallinen Grundeinstellung glatt vergessen. Plötzlich erblüht der analytische, schlanke Klang in festlichem Glanz. Von den Untugenden des Forcierens und der Fortissimo-Vorlieben ist kaum noch etwas geblieben. Was natürlich am Dirigenten Richard Hein liegt, der weit über bloße taktschlägerische Aktionen hinaus die Musik zum Atmen bringt – Fröhlichkeit und anspringende Hörlust inklusive.
Das Charakteristische der Tanzsätze wie Air, Bourrée, Hornpipe und Menuett teilt sich wie von selbst mit. Detailreich geht es zu, flink und abwechslungsreich. Und immer wieder bricht auch Gefühl auf. Kurzum: Nicht nur solche, sondern auch andere Tugenden wie Inspiration wünscht man sich schon! Peter Buske
Peter Buske
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