Kultur: Mal klassisch, mal jazzig
Sergio Azzolini und Maurice Bourgue zum Konzert der Kammerakademie
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Sergio Azzolini und Maurice Bourgue zum Konzert der Kammerakademie Heute um 19.30 Uhr startet die Reihe der Sinfoniekonzerte der Saison 2004/05 im Nikolaisaal. Die Veranstaltungen teilen sich wiederum das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (Oder) und die Kammerakademie Potsdam. Mit einem fast französischen Programm wird das Hausorchester des Nikolaisaals, die Kammerakademie Potsdam, gemeinsam mit dem Künstlerischen Leiter des Klangkörpers und Fagottisten Sergio Azzolini sowie dem französischen Dirigenten Maurice Bourgue aufwarten. Mit beiden Musikern kamen wir im Vorfeld des Konzerts ins Gespräch Herr Azzolini, ein Programm mit Kompositionen von Gabriel Fauré, Claude Debussy, Maurice Ravel, AndréJolivet findet man nicht alle Tage in einem Konzertprogramm. Azzolini: Strawinsky, der kein Franzose ist, haben Sie bei der Aufzählung vergessen. Ansonsten ist es ein richtiges französisches Programm, diesmal ohne Barockmusik. Die Kammerakademie betritt da weitgehend Neuland. Aber ich glaube, diese Musik tut dem Orchester sehr gut, besonders für die Artikulation, den Klang, der Ansprache und die atmosphärische Durchdringung. Diesmal werden Sie als Fagottist kein Continuo spielen, sondern sind Solist. Azzolini: Darauf freue ich mich schon sehr. Ich spiele das Fagottkonzert von André Jolivet. Ein Komponist, dessen Werke in Potsdam bislang kaum aufgeführt wurden. Azzolini: Ich glaube da ist den Potsdamern Wunderbares entgangen. Jolivet, der von 1905 bis 1974 vorrangig in Paris lebte, war ein Weggefährte Olivier Messiaens, aber er komponierte nicht wie dieser in einem Systemdenken. Er bewegte sich in mehr Freiräumen, komponierte polytonal. Seine Musik schwingt, wenn man das überhaupt sagen darf, zwischen Ravel und Gershwin. Während des Zweiten Weltkrieges besann er sich auf konventionelle Formen. Der Kontakt zum Publikum war Jolivet immer wichtig. So schrieb er: „Ein Komponist schreibt für seine Zeitgenossen und nicht für seine Urgroßneffen.“ Azzolini: Dennoch biederte er sich seinen Zuhörern nicht an. Vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren schrieb er eine Reihe effektvoller Instrumentalwerke in teilweise ungewöhnlichen Besetzungen. Das Fagottkonzert von 1954 ist jedoch nicht vordergründig, wie man dies – ganz vorsichtig gesagt – von so mancher Musik Jean Francaix’ kennt, Azzolini: Musik sollte auch unterhaltend sein. Unbedingt. Das Fagottkonzert ist aber eines mit großer Tiefe. Im langsamen Satz wird man in eine entrückte Klanglichkeit entführt. Die schnellen Sätze hat Jolivet kontrapunktisch gearbeitet und im letzten Satz findet man sogar Jazz-Elemente. Die Kammerakademie darf im Jolivet-Konzert einmal als klassisches Orchester auftreten, dann aber auch eine Jazzband sein - ein Werk mit ungemein vielen Facetten. Es hält aber auch für den Solisten, das sage ich ganz unumschränkt, große Schwierigkeiten bereit. Es macht aber einfach Spaß, das Stück zu musizieren. Neue Impulse erhält die Kammerakademie auch durch den Dirigenten Maurice Bourgue, der einer der bekanntesten Oboer Frankreichs ist. Herr Bourgue, Sie tauschen gern Ihr Instrument mit dem Taktstock? Bourgue: Ja, das macht nämlich Freude Das Dirigieren und das Blasen der Oboe sind doch sehr unterschiedlich. Mein Holzblasinstrument kenne ich bis ins Detail, habe mit ihr direkten Kontakt zur Musik mit all ihrer Energie. Das Dirigieren erfordert ein fundamentales Wissen über die Musik, über die gesamte Partitur, die man interpretieren möchte. Außerdem muss man sich auch auf die Reaktionen der Musiker einstellen, also sind pädagogische Fähigkeiten unumgänglich. Sie treten häufig als Gastdirigent auf, haben also immer wieder neue Begegnungen mit Orchestern. Bourgue: Das sind stets spannende Momente. Es gibt aber Orchester, die nur ein Dienstgefühl besitzen, die wenig Sinn für eine gemeinsame Gestaltung haben. Bei der Kammerakademie ist das nicht so. Es ist, so habe ich es bei den Proben festgestellt, ein sehr motiviertes Orchester mit einem hervorragenden Streicherapparat. Das heutige Konzertprogramm ist sicherlich nach ihrem Geschmack. Bourgue: Ganz und gar. Herr Azzolini, die Kammerakademie, mit der sie nun gut zwei Jahre künstlerisch und menschlich eng verbunden sind, der Sie als künstlerischer Leiter vorstehen, wird noch im September nach Bayreuth reisen. Azzolini: Tourneen sind für das Orchester wichtig, nicht nur weil man da bekannter wird, sondern auch, weil es in einer anderen Umgebung, in einem fremden Konzertsaal einen größeren Schub für die Qualität eines Klangkörpers geben kann. Im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth werden wir mehrere Aufführungen der Vivaldi-Oper „La fida ninfa“ geben, die bei den diesjährigen Musikfestspielen im Schlosstheater sehr erfolgreich war. Mit den Musikfestspielen Sanssouci würden wir gern weiter kooperieren. Das Gespräch führte Klaus Büstrin
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