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Kultur: Malmö FF: Party auf dem Dachboden

Ein Problem der deutschen Kulturnation, heißt es, bestände darin, Glück immer als etwas Zukünftiges und Kommendes anzusehen. Das gilt auch für deutsche Popmusiker: wird eine neue Platte „released", setzt eine stupide, immer gleiche PR-Maschinerie ein, für die grundsätzlich der aktuelle Augenblick weniger zählt als der darauf folgende.

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Ein Problem der deutschen Kulturnation, heißt es, bestände darin, Glück immer als etwas Zukünftiges und Kommendes anzusehen. Das gilt auch für deutsche Popmusiker: wird eine neue Platte „released", setzt eine stupide, immer gleiche PR-Maschinerie ein, für die grundsätzlich der aktuelle Augenblick weniger zählt als der darauf folgende. Schließlich glaubt man an den eigenen Erfolg, und, klar, der ist noch nicht da, er wird sich erst noch einstellen in der Zukunft. Deswegen ist man gezwungen, dem Konzert schnell ein nächstes folgen zu lassen, irgendwie hechelt man durch die Gegenwart. Das Hier und Jetzt ist immer nur eine schmale Stufe, niemals eine Blumenterrasse. Die Potsdamer Indie-Pop Band Malmö FF ist bislang brutal unerfolgreich. Damit geht es ihr genauso wie ungefähr fünf Millionen anderer Garagenbands im Land. Kein Grund also, gleich in Depressionen zu verfallen. Sucht man nach dem feinen Unterschied, um sich über die Erheblichkeit des Konzertes am Samstag auf dem Dachboden hinten in der Geschwister-Scholl-Straße klar zu werden, hilft vielleicht der Begriff der Unmittelbarkeit des Moments. Ist es nicht schon charmant, für ein Konzert sehr vage auf einen Dachboden in einem recht bürgerlichen Mietshaus aus der Gründerzeit eingeladen zu werden? Keine Plakate, keine Hinweise auf dem Weg nach oben. Links ein Getränkestand, den Frau Fischer und der elfjährige Sascha betreiben. Er sagt, er wäre der Manager der Band. „Schon 60 Euro Einnahmen“, raunt er Leadsänger Markus Angelstein nach dem Konzert zu, „nur in Scheinen!“ Frau Fischer, sagt Frau Fischer, ist gleichzeitig sozusagen auch die PR-Beauftragte von Malmö FF. Frau Fischer ist für eine Kollektion von Fanartikeln, genauer dezent mit dem Schriftzug Malmö FF versehene T-Shirts, verantwortlich. Ihr gegenüber auf der anderen Seite des Trockenbodens stehen Bassist Robert, Schlagzeuger Andreas, die Gitarristen Simon und Markus. Der Raum dazwischen ist voller netter Menschen, bestimmt fünfzig. Drei der jüngeren Mädchen finden Malmö FFs Musik auch zum Tanzen richtig gut. Die Unmittelbarkeit des Moments steht der Band und ihren Gästen im Gesicht: genau hier, genau jetzt, genau so, genau mit denen und sogar mit uns selbst, genau das ist großartig. Malmö FF macht Poprock mit deutschen Texten, die der Sänger schreibt. Sie tun genau in diesem Moment gut. Sie sind frisch, was daran liegt, dass sie alle gängigen Worthülsen des Pop geschmackvoll vermeiden. Und die Musik? Jemand sagt, er finde es immer toll, wenn Leuten neue Melodien einfallen. Richtig, die Songs, die auch auf der vorgestellten CD „galerie ganz oben“ zu finden sind, reichen weit über das Glück eines einzigen Moments hinaus. Musikalisch erstaunlich reif ohne Angeberei, schrammelig genug, damit der Punk noch stimmt, dazu Angelsteins leicht amelodiöse Stimme, die der Sache den nötigen Ernst verleiht. Die Unmittelbarkeit des Moments auf dem Dachboden kann man sich – ganz ehrlich – auch nach Hause holen, um einen Moment glücklich zu sein. Matthias Hassenpflug Mehr Info über CD und Konzerte: www.malmöFF.de

Matthias Hassenpflug

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