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Kultur: Man nehme ein Märchen

Koproduktion „Ilsebill“ zu Gast im T-Werk

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Sagen wir mal, das Grimmsche Märchen „Der Fischer und seine Frau“. Arme Fischersleute, die bei einem zum Fisch verwunschenen Prinzen ein paar Wünsche frei haben und über den Wunsch nach mehr Lebensstandard, nach mehr Einfluss, ja nach gottgleicher Existenz an ihrer, nein: eigentlich der weiblichen Maßlosigkeit scheitern. Diese Geschichte adaptiere man nun in die heutige Zeit. Eine solche Adaption konnte sehen, wer am Freitagabend zu Gast im T-Werk war und die Koproduktion „Ilsebill“ sah, die ausgestattet und dramaturgisch begleitet wurde von Jens Uwe Sprengel und Puppenspielern der Berliner Schaubühne und dem Theater Handgemenge.

Eine ärmlich wirkende, beinahe leere Schrankwand, ein Tisch und ein Stuhl. Eine alte Registrierkasse, auf der Frederike Hellmann in der weiblichen Hauptrolle der Ilsebill akribisch summierte, was Pierre Schäfer in der männlichen Hauptrolle des Hans an Pfennigen Wassergeld förmlich im Klo hinunterspülte. Beide im eher proletarischen Hauskleid (Jogginghose, Plüschpantoffeln). Ilsebill augenscheinlich verzweifelt ob der desolaten Haushaltslage, die durch ein Baby, das man fast ausschließlich nur durchs Babyphon hörte, noch mehr in die Schieflage geraten war. Es war der Hochzeitstag des Paares und aufgrund des feierlichen Anlasses sollte eine schon ältere Fischdose geöffnet werden, als Festmahl sozusagen.

Und plötzlich sprach dieser Fisch, eine grün-bläulich schimmernde Handpuppe, zum Leben erweckt von Puppenspieler Pierre Schäfer. Erinnerte Hans, dass sie sich schon einmal getroffen hatten, damals, auf dem Fließband der Fischverdosungsfabrik, in der Ilsebill und Hans gearbeitet hatten, bevor es zur ungerechtfertigten Kündigung kam.

Der Fisch bat um klares Wasser und bot Wunschfreiheit. Diese wurde munter genutzt und zeigte sofort, dass der Wünschende präzise formulieren sollte. Bei verbaler Lässigkeit könnte sonst, so zeigte das Stück, der Sohn vom Kleinkind schnell zum Manne werden – „Nun werd’ doch endlich mal erwachsen!“ –, oder die weibliche Eitelkeit ins Lächerliche abdriften. Die moderne Ilsebill nämlich wünschte sich eine Topfigur und die Stimme der Amy Winehouse, die wäre ja jetzt frei! Sie wäre eben gern so ein richtig heißer Feger. Ein Handfeger in diesem Fall, einer, der sich die Federboa um den Hals schlang und Popsongs trällerte, sehr zur Erheiterung des Publikums.

Das männliche Wünsche da weniger ambitioniert sein konnten, zeigte Hans, der sich schnöde ein Radieschenbrot und eine Flasche Bier „bestellte“. Selbstverständlich wurde es noch maßloser mit den Wünschen. Plötzlich steht ein geldscheißender Esel aus Pappmaché auf der Bühne und treibt das Paar zum Größenwahn, führt dazu, dass die beiden sich hinter nicht ganz blickdichter Plastikwand entkleiden und im Geld baden, bevor sie plötzlich feststellen, dass all das Geld unecht und der Esel nur eine billige Attrappe war.

Die Moral dieser zugegeben eher unterhaltsamen als tiefgründigen Version des Märchens? Geld macht nicht glücklich. Hans und Ilsebill hatten ihren wieder kleinkindlichen Sohn zurück und stellten, im wahrsten Sinne des Wortes (tropf, tropf, tropf), ihren Dachschaden fest. Da hatten der Fischer und seine Frau weniger Glück. Andrea Schneider

Andrea Schneider

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