Kultur: Mann bleibt Mann
Ranz und May mit ihrem aktuellen Programm „Neue Männinnen braucht das Land“ im Kabarett Obelisk
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Früher sind Männer noch wacker im Ritterturnier gegeneinander geritten. Heute schlurfen sie melancholisch in Röhrenjeans und Strickjacken umher, tauschen Kochrezepte aus, gründen Selbsthilfegruppen und brechen sich die Finger beim Öffnen einer Bierflasche. Es scheint, als habe der moderne Mann seine Rolle verloren, als habe die einst begrüßenswerte Reform des alten Männerbildes inzwischen groteske Züge angenommen, sodass die beiden Potsdamer Kabarettisten Michael Ranz und Edgar May gar nicht anders können, als diesen Zeitgeist mit ihrem neuen Programm „Neue Männinnen braucht das Land“ satirisch aufzuspießen. Wie vortrefflich ihnen das gelingt, konnte man am Freitag im Obelisk-Theater erleben, als bereits die Vorpremiere restlos ausverkauft war und von anhaltenden Begeisterungsstürmen begleitet wurde.
Auf einer Wellenlänge aber liegen die Herren im feinen Zwirn offenbar nicht. Während Ranz fröhlich Altherrenwitze reißt, sich über die vielen Kaschmirschlüpferträger und vollbärtigen Magersüchtigen aufregt, die ständig über ihre Gefühle reden, jedoch keine Löcher mehr in die Wand bohren können, verurteilt May den Chauvinismus und die Intoleranz seines Kollegen. Herrlich, wie sich die beiden immer wieder zanken, wie der eine hoffnungslos verbittert, der andere hilflos aufgeschlossen dem Niedergang der Männlichkeit gegenübersteht. Ein Glück nur, dass das Duo bei seinen musikalischen Darbietungen dann jedes Mal wieder prächtig miteinander harmoniert. Es sind fast durchweg Eigenproduktionen, die sie an diesem Abend zum Besten geben: May, der wie stets hinter seinen zwei Synthesizern sitzt und gewohnt virtuos, mal swinghaft, mal balladesk oder auch mal wie ein Saloon-Klimperer in die Tasten haut, und Ranz, der dazu singend, mit seinem tief dringenden Bass, fortan das Sitzpinkeln ablehnt, weinerlich auf seine Scheidung trinkt oder mit „Reich mir mal den Rettich rüber“ die öden Partys junger Eheleute aufs Korn nimmt und dabei durch sein feines Zusammenspiel von Gestik und Mimik all diesen Nummern eine gewisse Extraklasse verleiht. Zwischendrin schlüpft Ranz natürlich auch wieder in diverse Rollen, mimt er etwa einen frischgebackenen Vater, der das Stillen seines Kindes überwacht und wissenschaftlich kommentiert. Am meisten bejubelt werden allerdings schon bekannte Figuren, wie die des Schwulen, der lang und breit beklagt, dass es keine richtigen Männer mehr gebe und überlegt, sich lieber in echte Kerle wie Ursula von der Leyen oder Anne Will zu verlieben. Nicht fehlen darf auch der Besser-Ossi, der das Ende der Männlichkeit prophezeit und den Vergleich mit einer aussichtslos zurückliegenden Fußballmannschaft anstellt.
Erst zum Ende des über zweistündigen Programms tritt schließlich auch wieder der Krückstock schwingende Opa, der heimliche Star des Abends, auf. Es ist die Rolle, die Ranz die ganze Zeit über spielen könnte, so sehr brilliert er darin. Mit dröhnender Stimme berichtet der selbst ernannte Fachmann für Intoleranz über seinen Minijob im Kindergarten, zieht er über die Multifunktionskleidung tragenden Suppenhühner her, das kleine Schreifleisch, das immer sofort „algerisch“ gegen Milch und Nüsse sei. Herzhaft haut sich das Publikum zum Gezeter des alten Mannes auf die Schenkel, klatscht mit, als der staksig im Nebel und Strobolicht tanzt. Und ist dann mit ihm einer Meinung, dass der Mann auch im Kuschelzeitalter letztlich noch immer ein Mann bleibe. Daniel Flügel
Nächste Vorstellungen im Obelisk: 4., 5. und 8. April, jeweils um 19.30Uhr, Eintritt 17, ermäßigt 12 Euro
Daniel Flügel
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