Kultur: Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen Poetenpack mit der Komödie „Männerhort“ im T-Werk
Von Ulf Brandstädter Von wegen die Deutschen können keine Komödien schreiben: Der 28 jährige Kristof Magnusson kann es. Die Pointen sausen nur so dahin, der Dialog, von schlanker Hand geführt, federt muskulös.
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Von Ulf Brandstädter Von wegen die Deutschen können keine Komödien schreiben: Der 28 jährige Kristof Magnusson kann es. Die Pointen sausen nur so dahin, der Dialog, von schlanker Hand geführt, federt muskulös. Hier spielt die champion league mit einem Plot direkt aus dem Leben. Dort nehmen inzwischen Konsumtempel der Spitzenklasse einkaufswütigen Frauen ihre Männer ab und betreuen diese in Extraräumen, bis der Shoppingmarathon vorbei ist. Und genau unter einem solchen leiden die vier Helden bei Kristof Magnusson. „Das Happy Center ist unser Kreuzweg, der lange Samstag unser Karfreitag“ – barmen sie und treffen sich aus Protest dagegen in ihrem illegal gegründeten Hort im Kaufhauskeller. Oben verjuxen derweil die Mädels das Geld. Natürlich ist bei den Männern auf den ersten Blick alles Lambada. Außereheliche Potenz, Job, Gehalt – alles im grünen Bereich. Das Familienglück nun ja, aber die ständige Einkauferei nervt noch mehr. Doch es findet sich eine Lösung – über die Mann allerdings ganz unterschiedlicher Meinung ist So amüsant Boulevard, so schwer ist er zu machen. Der Ton des Beiläufigen, bei dem es um nichts zu gehen scheint und das doch Tieferes meint, ist vertrackt schwer zu treffen. Auch das Poetenpack hatte diesmal keine ganz zielsichere Hand. Anscheinend vom prolligen Milieu der Kellerfluchtburg zwischen Bierdosen, Playmates und Pizzakartons angesteckt (Ausstattung Heike Neugebauer), holzen sich die drei doch mehr Stil gewohnten, etablierten Mittelstandskarrieren recht dumpfbackig durch die geistreich blitzenden Dialoge. Sie unterscheiden sich wenig von ihrem Gegenspieler: Mirko Böttcher als krachledern polternder Feuerwehrmann Mario. Harte Schale, weicher Kern dilettiert hier einer in Sachen Seelenkunde und treibt die Denke-Denke-Typen vor sich her. Leider oft nur laut und ohne Stoßrichtung, da Situationen nicht gespielt, sondern durch erregte Behauptungen ersetzt werden (Regie: Andreas Hueck). Das hält die vielen originellen Gags von Magnusson, die das Publikum dankbar quittiert, zwar am Leben, reduziert sie aber auf Witze ohne Hinterland. Tim Herbert, Lars Wild und Marin Caktas müssen viele davon mit angestemmter Geschäftigkeit zerspielen. Den Mund bis zur Unverständlichkeit voll Pizza, Bier oder Zigarette finden die künstlichen Aktionen zu keinem organischen Eigenleben, aus dem heraus die Pointen souverän zünden könnten. Hier behindert Handlung den Text und umgekehrt. Selbst ganz normale Spielsituationen laufen immer so hochtourig, dass dramatische Momente – die Frauen könnten ihre Männer entdecken! – keine Steigerungschancen mehr haben. Vieles verwackelt zur Klamotte und ist einfach nur laut, wo das Stück mit feiner Psychologie raffinierte Spielchen will. Um so überraschender der Schluss des Abends: drei am Boden zerstörte Maulhelden finden zu einem infantil wimmernden Klagegesang über die Schwere ihres Daseins. Das berührt und zeigt, dass auch Szenen aus der Ruhe heraus wirken. Nach fast zwei Stunden Spieldauer ohne Pause ein guter Abgang mit einer interessanten Autoren-Neuentdeckung für Potsdam.
Ulf Brandstädter
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