Kultur: Männerträume und Stadtansichten
Iris Band und Bernd Baumgart in der Galerie am Neuen Palais
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Betritt man den großen Saal, der die Galerie am Neuen Palais ausmacht, wird der Blick zunächst magisch von einem gegenüber an der Wand hängenden, zweimal zwei Meter großen Bild angezogen: dort lehnt lässig und fast bildfüllend eine Werbefotografie-Nackte, ihre Beine entsteigen einem Rahmen, der über Feldern und dem Turm von Babel kunst- und mythengeschichtliche Inhalte zu transportieren sucht.
Die realisierende, manchmal surrealistisch unterschiedliche Wirklichkeitsausschnitte zusammenbringende Art der Acrylmalerei des 1956 in Bad Langensalza und seit 1982 in Halle lebenden Bernd Baumgart kombiniert Versatzstücke aus Mythologie, Kunstgeschichte und Männerträumen. Er verkuppelt unterschiedliche Stile zu einer gewaltig scheinenden, bei vielen Werken auf den ersten Blick eine Art Wiedererkennen erzeugenden Malerei. Da sitzt ein anderer weiblicher, faltenfreier Akt mit langem lockigem Haar auf einem Bilduntergrund, der durch seine Goldstückchen an Klimt erinnert, da wird die Kirchenmalerei mit „Die zarteste Versuchung“ mal schnell hops genommen, denn die Mutter, die das Kindlein hält, trägt einen grimassierenden Totenkopf, und der silberne Hintergrund entpuppt sich als „Milka“-Schokoladen-Papier.
Ein Großteil seiner Arbeiten zitiert üppigste Antikengemälde, so in „Bacchus und Ariadne“, oder feiert, halbnackt und dennoch gut gewandet ausladende Formen und Figuren, wie in „Baock“. Das ist von der Geste her groß, versucht aber mit brachialer Farb- und Formgewalt zu überzeugen. Sublimität ist nicht die Stärke Baumgarts, und doch erhalten gerade die Arbeiten, die ein bisschen im Hintergrund hängen und sich wegen der fehlenden Schrei-Buntfarbigkeit scheinbar bescheiden zurücknehmen, die stärkste Präsenz. Ob das „Mondschein“ heißt, wo Kleider-, Muschel- und florale Formen von lebendig wirkenden Händen erfasst werden und insgesamt ein schwarz-weiß wirkendes, aber dennoch zartgelb beleuchtetes Langformat ergeben, oder aber schlicht „Mythos“, das ist egal, aus diesen Bildern leuchtet eine Sensibilität, die sich Baumgart bei seinen anderen Arbeiten durch lautes Farb- und Symbolgeschrei nicht erlaubt. Schade.
Nun wird dieser alles übertünchende Maler kombiniert mit einer leise daherkommenden, kleinteiliger und fitzeliger arbeitenden Iris Band, ebenfalls aus Halle, die in dieser Ausstellung hauptsächlich Städteansichten zeigt. Es sind architekturale Mosaiken, die sich als „Hamburger Binnenalster“ dominant blau, oder als Trafalgar Square braunrot aus der Vogelperspektive vor den Augen des Betrachters entfalten, und, je näher man herantritt, schichtenweise ihre Tiefendimensionen entdecken lassen. Auch ein „Potsdam“-Bild zeigt die harmonische, rote Abgezirkeltheit des Holländischen Viertels vor dem grau tönernen Nauener Tor, und, wenn man nachzählen würde, käme man sicher zu dem Ergebnis, dass die 45jährige Malerin kein einziges Haus vergessen hat. Doch diese Genauigkeit stört nicht, die Häuser und Straßen, die Flüsse und Gassen wirken, obwohl sich offensichtlich keine Menschen darin aufhalten, belebt und seelenvoll.
Es ist weit mehr als ein Reisetagebuch, das die seit 1988 regelmäßig ausstellende Künstlerin liefert, auch ihr „Kairo“ entführt in einen städtischen Kosmos, der durch die geometrische Klarheit der Linien und die Wärme der ockerblauroten Fassaden einen warmen Wüstenwind-Blick in den Orient wirft.
Und da die Galerie am Neuen Palais diese beiden so unterschiedlichen Künstlernaturen miteinander verbindet, sei zum direkten Frauenkörpervergleich dazu aufgerufen, in die Nische zu schauen, in der kleinere Arbeiten von Iris Band hängen: dort gibt es drei Akte, genannte Tempera-Gemälde, in ihrer Winzigkeit schon allein ein Kontrapunkt zu Baumgarts voyeuristischen Männerblick, die alte Menschen zeigen. Dort fallen Hautlappen, Wülste und matte Frauenbrüste fast ineinander zusammen, aber sie haben alle etwas, das den Arbeiten von Baumgart fehlt: den milden Blick, der Würde erlaubt.
Galerie am Neuen Palais, bis 7.5.
Lore Bardens
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