Kultur: Maria im Frühling
Vocalkreis Potsdam sang in der Friedenskirche
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Mit großem Engagement pflegt der Vocalkreis Potsdam die traditionelle Kunst des mehrstimmigen Gesangs, die ihren Höhepunkt schon vor rund vierhundert Jahren erlebte. Früchte dieser Arbeit konnten bei der Geistlichen Chormusik in der Friedenskirche Sanssouci genossen werden. Bewundert und beliebt wie kaum ein Komponist zu seiner Zeit war Antonio Lotti, der nach einem Zwischenspiel am Dresdner Hof am Markusdom in Venedig wirkte. Sein „Miserere mei, Deus“, eine vierstimmige Motette nach Psalm 51, die dort jahrelang am Gründonnerstag erklang, zeigt äußerst dicht gewebte Stimmlinien, jeder Vers besitzt eine andere Gestalt für die detaillierte, musikalische Auslegung des Textes. Unter Matthias Jacob, Kirchenmusikdirektor und Chorleiter, näherte sich der Vocalkreis Potsdam behutsam den ziemlich anspruchsvollen, verschlungenen Gesangslinien und raffinierten Harmonien des Venezianers.
Kraftvoller erklangen die geistlichen Madrigale von Johann Hermann Schein, wenn gleich es auch hier an Fülle im tiefen Register fehlte. Vielleicht hätte ein Generalbass geholfen. Dennoch verfehlten die markante Aufteilung der Stimmlagen, die effektvollen Kontraste und Imitationen ihre Wirkung nicht, so dass sich die Zuhörer ganz den himmlischen Vertonungen der Psalmen 37 und 30 in der Friedenskirche hingeben konnten. Auch Leonhard Lechners Motette zum Psalm 66 erfreute mit jubelnden, reichverzierten Gesangslinien besonders im Sopran und nahezu schwingender Rhythmik.
Alte rheinische Volksliedtexte bilden Grundlage von Johannes Brahms“ sieben „Marienliedern“, seinem einzigen durchgestalteten Liederzyklus für Chor. Der 18köpfige Vocalkreis Potsdam fand dafür vielfältige Ausdrucksformen. Den Anfang machte ein feierlicher „Englischer Gruß“, es folgten ein vergeistigter Kirchgang und eine mystische Wallfahrt Marias. Frühlingshaft, licht und heiter klang das Lied von Maria und dem Jäger, kein anderer als der Erzengel Gabriel. Ein flehender „Ruf zur Maria“ sowie ein ernst-verinnerlichter Gesang an Magdalena folgten. Das große Lob der Maria bildete den feierlichen Abschluss.
Auf der Woehl-Orgel entführte Matthias Jacob die Zuhörer zunächst in die römische Peterskirche mit Werken aus der musikalischen Blütenlese von Girolamo Frescobaldi, der mit seinem virtuosen Orgelspiel damals Tausende in die Kirche gelockt hatte. Solch einen Zulauf gibt es heute, wo Musik überall und jederzeit gehört werden kann, nur noch selten, wie zu merken war. Dabei haben Frescobaldis Kompositionen nichts von ihrer Frische und Klangpracht verloren, zumindest wenn sie so virtuos wie hier auf der Woehlorgel gespielt wurden. Im neunzehnten Jahrhundert nahmen Franzosen wie der Komponist César Franck, beim Orgelspiel die Führung ein. Francks Prélude, Fugue und Variation h-moll besteht eigentlich aus einem melodiösen Präludium, das leicht verändert zum Finale wieder erscheint sowie einer brausenden Minifuge.
Matthias Jacobs Interpretation erfreute das Ohr mit meditativen, gedeckten Klangfarben, die sanft in lichte Höhen entschwebten.
Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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