Kultur: „Marx meets Mensch“
Unidram marxistisch: Das Theater des Lachens aus Berlin in der Schiffbauergasse
Stand:
Wenn sich ein Theater „Theater des Lachens“ nennt, kommt der Zuschauer gern. Schließlich hat man heutzutage wenig zu lachen, und wenn einem das abends serviert werden soll, steht man lustvoll von der Fernsehcouch auf und nimmt den Weg durch den gerade eiskalt und irgendwie überraschend angekommenen Winter.
Der Titel des Stückes allerdings hätte gleich misstrauisch machen sollen: „Legende vom Manifest der Kommunistischen Partei oder Marx meets Mensch" (Regie: Astrid Griesbach) – wenn die Erklärung schon gleich in der Überschrift erscheint, wird es meist hoch intellektuell. Wenn es das wenigstens gewesen wäre. Aber noch nicht einmal der Intellekt bekam etwas zu tun bei dem sich in die Länge ziehenden Stück.
Immerhin erhielt es zu Beginn und manchmal zwischendurch ein wenig von den erwarteten Zuschauerprustereien, das jedoch war, so sollte sich bald herausstellen, vorauseilender Heiterkeitsgehorsam, denn, um nicht hinterm Berg zu halten, das Lachen wurde einem wahrlich schwer gemacht. Irgendwann ersetzte Hoffnungslosigkeit die ursprüngliche Aussicht auf einen Spaßabend. Zunächst krochen durch das Dunkel des T-Werk-Treppenaufgangs und quollen aus den Seiteneingängen wie Steinzeitmenschen die sieben Darsteller, die Louis-Seize-Perrücken und ach so naivbunte Kleidchen trugen, um sich auf der Bühne um den roten Stern zu versammeln, der noch unschuldig auf die kommenden Witze wartete.
Die erste halbe Stunde war einem Zitat des Kommunistischen Manifests gewidmet, das aus den unterschiedlichen Mündern skandiert wurde. Zur Litanei des einstmals Sehenden wurden aus dem Chor der Witzigen Darsteller die Interpunktionen gesprochen: Punkt, Komma, ab und zu sogar Semikolon intonierten die Schauspieler computerartig. Auch das wurde nach zwei Minuten fad. Und es sollte länger dauern.
Selbst wenn man Déjà-vu-Erlebnisse hatte und sich an den Marxismus-Leninismus-Unterricht in ostdeutschen Schulen oder an die geheimbündlerischen Zusammenkünfte westdeutscher Splitterparteien erinnerte, oder auch, wenn man der jüngeren Generation angehörte, von der einen oder anderen gesellschaftlichen Analyse des ehrwürdigen Karl Marx durchaus angetan fühlte, man konnte auf die Dauer nicht darüber hinwegsehen, dass es der Inszenierung an Ideen mangelte.
Der skandierte und mal im bayerischen Dialekt verfremdete Text besitzt Aktualität, davon konnte man sich in aller Ruhe vergewissern, die Inszenierung und das Schauspiel allerdings reichten in keiner Weise an die Qualität der Gesellschaftsanalyse heran.
Wenn man aber nur damit punktet, dass mal die blaue Unterhose eines der weibisch gekleideten männlichen Schauspieler gezeigt wird – oder dass da auch mal auf bayerisch das Proletariat vermeintlich geliebt, aber eigentlich nur verhöhnt wird, oder dass ein Sessel einen dramaturgischen Höhepunkt dergestalt bietet, dass endlich mal die Gruppe ein wenig auseinanderdividiert wird, dann ist das mehr als wenig.
Und zum Lachen taugt es nicht, selbst wenn aus der am Boden schlafenden Gruppe wie aus Versehen eine (jugendlich wirkende) Oma schält und ihrem tumben Enkel erklären will, wie sich das verhält mit den Produktionsmitteln, der Ausbeutung und dem Proletariat eben. Schade um den Fernsehabend, denn der hatte mit der Verfilmung der Erinnerungen Michael Degens wahrhaftig sicherlich mehr zu bieten. Lore Bardens
Lore Bardens
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