Kultur: Medea tötet ihre Kinder
Meisterwerk des Franzosen Van Loo nach Restaurierung wieder in Grüner Damastkammer zu sehen
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Entsetzt starrt der Held Jason auf sein Kind, das von seiner Geliebten Medea gerade getötet worden ist. Der altgriechische Mythos von der verstoßenen Frau, die sich durch die Ermordung ihrer Kinder und ihrer Nebenbuhlerin rächt, hat Maler, Dichter und Komponisten seit der Antike immer wieder inspiriert, so auch den französischen Hofmaler Carle Van Loo. Sein 1759 gemaltes, 2,30 mal 3,28 Meter großes Kolossalgemälde „Medea und Jason“ kann jetzt wieder in der Grünen Damastkammer des Neuen Palais besichtigt werden.
Seit sechs Jahren wurde die einschließlich des Rahmens 32 600 Euro teure Restaurierung aus Geldmangel immer wieder verschoben, nun ist sie durch Spenden des Vereins Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten, darunter der Dexia Kommunalbank, ermöglicht worden. Dafür nahm der Vereinsvorsitzende Andreas Graf von Hardenberg gestern bei der Vorstellung des Ölbildes den Dank von Stiftungs-Chefrestaurator Hans-Christian Klenner und der Leiterin der Gemäldewerkstatt, Bärbel Jackisch, entgegen.
Als sich die beiden Dresdner Restauratorinnen Sybille Kreft und Uta Matauschek im Frühjahr an die Arbeit machten, lösten sie zunächst die Papieraufkleber, die ein Abfallen der mürben Farbschichten verhindern sollten. Nach 1900 war ein dunkler Firnis aufgetragen worden, so dass das Gemälde auch ästhetisch einen unbefriedigenden Anblick bot. Drei Firnisschichten mussten Kreft und Matauschek abtragen, ehe die ursprüngliche starke Farbigkeit wieder zu ahnen war. Die alte Farbschicht wies großflächige Schäden auf, die nachgekittet, strukturiert und retuschiert wurden. Jetzt sieht der Besucher auch wieder die zuvor verblassten Details, mit den Van Loo den Kindesmord eindringlich darstellt. Sind die Retuschen gut durchgetrocknet, wird das Gemälde im nächsten Sommer mit einer schützenden Schicht aus Naturharzfirnis überzogen.
Ein Glücksumstand ist, dass sich der vergoldete Rahmen aus schwerem Eichenholz original erhalten hat. Er wurde vom französischen König Ludwig XV. höchstpersönlich in Auftrag gegeben, nachdem Van Loos Gemälde in der Kunstwelt überwältigende positive Resonanz ausgelöst hatte. Der Restaurator Volker Ehlich hat dem Rahmen nun u.a. durch die Schließung von Fehlstellen in den aus Lindenholz bestehenden Schnitzereien und der Vergoldung alten Glanz zurückgegeben. Spätere, inzwischen stark oxidierte Bronzierungen wurden entfernt.
Spannend wie die Restaurierung ist auch die Geschichte des Gemäldes. Während Friedrich der Große zwei Bilder Van Loos erworben hatte, der 1762 als „Premier peintre du roi“ (Erster Maler des Königs) entscheidenden Einfluss auf das französische Kunstleben erlangte, kamen „Medea und Jason“ auf Umwegen in preußischen Besitz.
Als Vorbild für die Medea nahm Van Loo die berühmte Pariser Schauspielerin Mademoiselle Clairon, der das Bild dann von der Auftraggeberin Prinzessin Galitzin, Gattin des russischen Botschafters in Wien, als Geschenk übereignet wurde. Die Schauspielerin verkaufte es 1773 an den letzten Markgrafen von Ansbach, dessen Geliebte und „Kulturmanagerin“ sie war. 1793 gelangte das Gemälde durch Erbfolge aus der Ansbacher Linie der Hohenzollern an Preußen und wurde im Berliner Schloss aufgehängt. Nach 1860 kam es ins Neue Palais.
Wahrscheinlich wegen seiner Größe wurde das Bild vor dem Kriegsende 1945 nicht ausgelagert. Die russischen Besatzer wurden erst 1946 auf das Meisterwerk Van Loos aufmerksam und wollten es dann als Kriegsbeute nach Moskau schaffen. Der von ihnen eingesetzte damalige Generaldirektor der Schlösserverwaltung, Prof. Willy Kurth, setzte sich dagegen jedoch erfolgreich zur Wehr. Er hängte das Gemälde 1949 in die Bildergalerie. Mit Beginn der Restaurierung dieses Bauwerks wurde es 1992 in das Neue Palais zurückgeführt.
Die Grüne Damastkammer mit dem restaurierten Gemälde zählt zu den Räumen, die beim Rundgang durch das Neue Palais gezeigt werden. Sie gehört zum Oberen Fürstenquartier und war in der Kaiserzeit das Arbeitszimmer Wilhelms II.
Erhart Hohenstein
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