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Kultur: Meditativ bis fröhlich

Orgelsommer-Konzert mit Stephen Farr

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Dass sein Interesse vor allem der zeitgenössischen Musik gilt, beweist sein Konzertprogramm, mit dem er beim Internationalen Orgelsommer am Mittwochabend an der Schuke-Orgel in der Erlöserkirche auftrat. Meditative Verkündigungen könnte man das nennen, was der in London geborene Stephen Farr von Barock bis Moderne zusammengetragen hat. Er ist Musikdirektor sowohl an der St. Pauls-Kirche in Knightsbridge als auch am Corpus-Christi-College in Cambridge. In dieser renommierten Universitätsstadt studierte er Orgel und Musikwissenschaften, um dann allerdings an der Christuskirche in der universitären Konkurrenzstadt Oxford tätig zu werden.

Dass er die erwartungsbereiten Zuhörer außer mit Klängen vom Kontinent erfreulicherweise auch mit solchen von der Insel bedachte, spricht für ihn und seine Verkündigungsabsichten. Bestes Beispiel: das gleichnamige, im vorigen Jahr entstandene „Annunciation VI“-Stück der Britin Judith Bingham (geb. 1952). Es zeichnet sich durch klangfeine, ruhige, ständig an- und abschwellende Betrachtungen über das bevorstehende Ereignis der Geburt Jesu ab. Diese Gedankengänge finden in kleinen Intervallschritten in hohen Lagen statt, kontrastiert durch Pedaltremolo. Wie schön, dass der Organist dabei mit dem gewissen Etwas britischen Spiel-Understatements überrascht.

Leidenschaftlich und flächig breitet er aus, was Kenneth Leighton (1929-1988) im dissonanzenreichen „Agnus Dei“ aus seiner „Missa de Gloria“ gedankentief ausgeforscht hat. Dann ertönt daraus noch das „Ite Missa est“: aufgeregt, rhythmisch synkopiert, motorisch in der Machart von Minimal Music. Und da sorgen, sehr passend, scharfe Prinzipalstimmen für den rauschhaften Sound. Gleichsam in weichem flanellenem Gewand, mitunter von leidenschaftlicher Erregung gebläht, ertönt die „Aria“ des Franzosen Jehan Alain (1911-1940): filigran und zerbrechlich angelegt, weitgehend in der hohen, aber nie schrill registrierten Lage angesiedelt. In mildes, klangwarmes Licht getaucht, geht von der Komposition „Spiegel im Spiegel“ von Arvo Pärt (geb. 1935) eine nicht minder faszinierende, suggestive Wirkung aus. Eine aufsteigende Tonfolge als unverrückbares Grundgerüst wird monoton wiederholt, reich von zarten, raffiniert modulierenden Solostimmen (zumeist diverse Flötenregister) umspielt. Ihr besänftigender Tonfall zieht den Hörer unwillkürlich in den Sog eines seelischen Schwebezustands, dem man sich kaum entziehen kann. Oder mag.

Weniger entschleunigend, dafür von strahlend fröhlicher Daseinsfreude nur so strotzend, geht es in Felix Mendelssohn Bartholdys viersätziger B-Dur-Sonate op. 65 Nr. 4 zu. Bei seiner Registrierung vertraut der Organist ganz auf die Strahlkraft, nicht Schärfe der Prinzipalstimmen, wodurch sich der virtuose Gestus noch besser hervorkehrt. Besinnlich, leicht und lieblich erstrahlen die beiden Andantesätze, während das Finale im vollen Orgelwerk in majestätischer Prächtigkeit den wirkungsvollen Schlusspunkt setzt.

Dass Stephen Farr auch die barocken Klassiker Dietrich Buxtehude (Praeludium in g) und Joh. Seb. Bach („Meine Seele erhebt den Herrn“) fern der strenggläubigen Spieltradition trotz gedämpfter Grundstimmung geradezu leicht und fröhlich zu spielen versteht, setzt der Orgelstunde gleich zu Beginn ein aufhorchenswertes Ausrufezeichen. Peter Buske

Peter Buske

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