zum Hauptinhalt
Malerische Poesie. Erst in der Gesamtschau wird das Motiv deutlich.

© Andreas Klaer

Kultur: Meditative Punktur

Das Spätwerk des monegassischen Malers Claude Rosticher ist derzeit im „Güldenen Arm“ zu sehen

Stand:

Es ist schon seltsam mit der Imagination. Hört man beispielsweise den „Winter“ aus Vivaldis „Le quattro stagioni“, ist er sogleich da, selbst noch bei dreißig Grad im Schatten. Allerdings hält er sich unsichtbar, zeigt nur seine Werke. Im Spätwerk des monegassischen Malers Claude Rosticher, derzeit im „Güldenen Arm“ zu sehen, ist es genauso. Auch er hat sich der „Jahreszeiten“ angenommen, auch er zeigt nicht sie, sondern nur ihren Ausdruck, und das weder gegenständlich, noch allegorisch, noch abstrakt, sondern eher nach Art der Pointilisten.

Spöttische Zungen würden das vielleicht „schön gepixelt“ nennen. Wie immer auch, das unbeheizbare Freimaurer-Haus in der Elflein-Straße kommt solchen fast-lebendigen Farbspielen durch seine weiße Tünchung sehr entgegen. Geboren wurde Claude Rosticher 1936 in Gers, er geriet da in eine Kunstmaler-Familie hinein, hatte sich früh zwischen Tennisschläger und Pinsel zu entscheiden. Er war dann Bühnenbildner an der Opera de Monte Carlo, Gründungsmitglied jener „Group signe“, die rund um 1970 mit automobilen Installationen á la Vostell eigene „Zeichen der Zeit“ setzen wollte. Sogar als Direktor der Kunsthochschule Monaco war er mal tätig.

Hierzulande ist Claude Rosticher kaum bekannt, dafür erzählt das Internet seitenlang von ihm. Wo er arbeitet und lebt, gilt er zugleich als Poet. In fünf Räumen also zeigt er teils großformatige Bilder, meist in Öl oder in Mischtechnik gefertigt und nach den Jahreszeiten (oder „Dessins“) benannt. Ihre Merkmale sind eine ins Extrem getriebene Punktur, hohe Farbdichte und die oftmals fehlenden Rand- oder Freiflächen.

Da er, mit Ausnahme der sommerlichen Sonnenblumen, auf strukturelle Sujets verzichtet, ist eine dekorative Wirkung mitgegeben. Oder unvermeidlich? Tatsächlich sieht man zuerst „nur Punkte“ in oft durchmischter und fließender Farbigkeit. Die Jahresmitte hat wärmere Töne als der noch etwas kühl temperierte Frühling, im Herbst dann reifen selbst noch die letzten Farben. Monsieur „Winter“ zeigt sich natürlich mal wieder von seiner weißblauen Seite. Gelegentlich arbeitet der Monegasse ein seltsames „Hintergrundglühen“ aus den – auch mal gespachtelten – Farbschichten heraus, da wird es noch raffinierter. Kommt aber sein Bleistift dazu, so schwindet der Zauber wieder dahin.

Die Nah- und Fernwirkung dieser Tafeln unterscheidet sich beträchtlich, auch ihre Korrespondenzen, je nach dem, wie man diese meditativen Punkturen hängt. Ohne selber sichtbar zu werden, haben die hohen Damen „Imagination“ oder „Inspiration“ dem Mann aus Monaco wohl das Grenzland von Bild und Gedanke gezeigt. Er sah Temperaturen alias Temperamente jenseits der Abstraktion, Bilder auf dem Wege zum Nicht-Bild, Kunst, die sich im Ornamentalen auflöst, oder daraus ersteht. Visionen, zumindest Meditationsflächen für Pixel-Geschulte, alternde Blumenfreundinnen und verwilderte Philosophen.

Noch der Ordentlichste mit Schlips und Kragen findet hier „seins“. Rosticher verschont niemanden. Keine Fluchtpunkte, kein Friede den Pupillen, dafür ein Strahlen, ein Fließen, ein Werden, ein Gehen. Nix mit „Natur“, das sind gar keine Jahreszeiten, „Leben“ sollte das heißen! Mit flüchtigem Blick in den Katalog versteht man jetzt auch, warum sich einer, der längst alle „Stile“ erprobte, ausgerechnet mit diesem Werk an die Deutschen wendet. Die Korrespondenz zwischen Innen und Außen, um die es hier geht, bestimmt den Rest – bis zur Neige. Gerold Paul

Bis zum 11. Dezember, Mittwoch bis Sonntag 12-18 Uhr, Hermann-Elflein-Str. 3, der Eintritt ist frei.

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })