Kultur: Meditative Strenge erläutert
Werkstattkonzert mit Toshio Hosokawa im Studiosaal des Nikolaisaals
Stand:
Pling macht es unisono, dann scheinen schwebende Klangflächen zu entstehen. Gleich einer ruhigen Wasserfläche, auf der sich Licht spiegelt. Aufsprudelnde Gasbläschen bringen das Bild in Wallung. Glissandoeffekte, sordiniertes Gleiten und Schweben auf Saiten, in lichte Höhen entschwindende Klänge – es ist eine reizvolle, bildhafte Komposition, dieser „Ceremonial Dance“, den der japanische Avantgardist Toshio Hosokawa 2000 zu Papier gebracht hat.
In einem Werkstattkonzert mit Hosokawa, unter dem Titel „Japans neue Töne“ im Studiosaal unter den Dächern des Nikolaisaalgebäudes, ist dieser zeremonielle Tanz für Streicherensemble (Mitglieder der Kammerakademie Potsdam) zu hören und Gegenstand werkwissenschaftlicher Erläuterungen. Diesen Part hat Karsten Witt übernommen.
Doch zunächst gibt es das Stück kommentarlos in Gänze zu hören. Die Musiker sind mit glasklarer, akkurater Tonbildung bei ihren Streicharbeiten. Sie spielen vibratolos, was für prägnante Klänge und eine gleichsam barocke Direktheit sorgt. Über dem Ganzen liegt eine meditative Strenge und innerliche Gelöstheit, unterbrochen von Abschnitten der Stille, die mehr sind als nur Pausen oder Aufhören von Klang. Dieses „innerliche Schweigen“ sei ihm eine weiße Fläche, erläutert Toshio Hosokawa seine Absicht später im Gespräch, gleichsam „eine Malfläche, in der Klänge verschwinden und nach einer Pause wieder erstehen“. Die einzelnen Töne bringe er in „kalligraphischer Linienführung“ mit feinen und groben Pinselstrichen aufs Notenblatt. Assoziationsreich anzuhören. Zum Schluss entschwebt das filigrane Klanggespinst ins Nichts.
Es sei ein verstörender Titel, von Tanzrhythmen wie man sie kennt, weit entfernt – so sucht der Moderator den Komponisten zur Erläuterung seiner Ambitionen zu bewegen. Diesem fällt es auch im weiteren Gesprächsverlauf sichtlich schwer, auf solche ungenauen Fragestellungen konkret zu antworten.
Schließlich erfährt man, dass das Stück von altjapanisch-rituellen Totentänzen inspiriert sei, sozusagen ein Tanz verstorbener Seelen. Und die würden eher langsames Schreiten als rhythmisch Beschwingtes bevorzugen. Aha. Das Ganze klinge eher west-europäisch als fernöstlich, versucht der Gesprächsleiter einen weiteren Vorstoß. Toshio Hosokawa, über dessen Vita man kaum etwas erfährt, fängt den Ball auf. Er sei im elterlichen Hause frühzeitig mit traditioneller japanischer Musik aufgewachsen, die ihn allerdings gelangweilt habe. Erst in der Fremde, als er in Berlin bei Isang Yun studierte, habe er das Heimatliche kennen und lieben gelernt. In den Mikrotönen und Clustern westeuropäischer Avantgarde, sagt er, entdeckte er Japans Klangtradition wieder. Verwunderlich sei auch nicht, dass er den Dualismus von Yin und Yang zu seinem Schaffensprinzip erhoben habe. Es finde sich durchgängig auch in dem „Ceremonial Dance“ wieder: hohe wechseln mit tiefen Tönen, gleichsam „gefrorene“ Klänge kontrastieren mit changierenden, Helles mit Dunklem. Das Er- und Verklingen von Tönen gehört ebenfalls dazu. So mit Hintergrundwissen ausgestattet, erklingt die Komposition noch einmal. Man hört sie nun intensiver, irgendwie auch anders. Eine Möglichkeit, das Verständnis für zeitgenössische Musik zu fördern.
Leider wird die Chance dazu durch den Moderator vertan. Er versucht den einstündigen Abend in die Länge zu ziehen, indem er abschließend den Prozess des Komponierens zu ergründen sucht. Durch ungeschicktes Fragen mißlingt“s ihm gründlich. Zurück bleibt ein unbefriedigender Eindruck.Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: