Kultur: Meditierende, virtuose Klanggebete
Die selten aufgeführten Biber-Sonaten waren in der Klein Glienicker Kapelle zu hören
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Nie zuvor und nie danach hat ein Komponist den Versuch unternommen, die Mysterien des katholischen Roenkranzgebets in Klang zu verwandeln. Heinrich Ignaz Franz Biber ist das Wagnis eingegangen. In je fünf freudenreichen, schmerzhaften und glorreichen Violinsonaten mit Basso continuo meditiert er von der Verkündigung Marias über Christi Geburt und Kreuzigung bis zur Krönung Mariae im Himmel über die Geheimnisse des Glaubens.
Biber, 1644 im nordböhmischen Wartenberg geboren und 1704 in Salzburg gestorben, gehört zu den größten Geigenvirtuosen des Barock und hat die Geigentechnik seiner Zeit entscheidend weiterentwickelt. Hinsichtlich der Fantasie und des Niveaus überragen seine Rosenkranz-Sonaten alle Werke seiner Zeitgenossen und zählen längst zu den Highlights virtuoser Geigenkunst. Auch deshalb, weil in ihnen vieles vieldeutig und rätselhaft bleibt. Diesen verborgenen Bedeutungen versuchte das Potsdamer Ensemble „La Risonanza“ mit seinem Programm „Biber im Dialog“ am Sonntagnachmittag in der Klein Glienicker Kapelle auf die Spur zu kommen.
Ob das rasche Passagenwerk am Anfang der ersten Sonate „Die Verkündigung“ wirklich das Rascheln des Flügels des Erzengels Gabriel abbildet? Der Barockviolinist Markus Catenhusen deutete in seiner Moderation diese Möglichkeit zwar an, verwies jedoch darauf, dass jedes Werk jenseits erläuternder Worte von jedem Einzelnen spielend und hörend erfühlt werden müsse.
Und in der Tat: Jede Sonate lässt beim Hören innere Bilder entstehen. Kraftstrotzende Virtuosität, rauschhaft umspielt vom Continuo, bestehend aus Viola da gamba (Christiane Gerhardt), Cembalo (Susanne Catenhusen) und Theorbe (Matthew Jones) – der Sonatenbeginn nahm einen sofort gefangen. War da nicht doch etwa der Engelsflügel? Lyrische Abschnitte wechselten mit verspielten, dann handfesteren Episoden.
Auf die Verkündigung folgt die freudige, geradezu überdrehte Reaktion Mariens. Auf die bilderreichen Biber-Noten folgte, zur gedanklichen Erholung, die streng geformte, getragen klingende und von Theorbe und Gambe gespielte „Arabesque“ von Marin Marais. Dann kam Biber erneut zu Klang-Wort, diesmal aber mit bewusst verstimmten Geigensaiten. Ein geradezu exzessives Verfahren, Skordatur genannt, das für die Wiedergabe jeder einzelner seiner Sonaten erforderlich ist, um stets wechselnde und charakteristische Klangräume zu erschaffen.
Hochgestimmt vollzog sich der „Besuch der Maria bei Elisabeth“, bei dem sich die Schwangeren über die bevorstehenden Geburten beschwingt bis freudig erregt austauschen. Passend danach erklang die liebesseufzerreiche d-Moll-Passacaille von Robert de Visée als verinnerlichtes Theorbensolo.
Im Mittelpunkt der fünf am Sonntag gespielten Klanggebete standen Variationen, die von Tanzsätzen geprägt sind. Zwei Soli für Gambe und Cembalo bilden passende Ergänzungen zu „Jesu Leiden am Ölberg“ und nach der „Kreuzigung“. Nicht weniger beeindruckend die sehr saubere Intonation aller Mitwirkenden auch bei „Mariae Himmelfahrt“, einem tänzelnden Finale, das wiederholt wird. Gespannt sein darf man nun auf das bei den Musikfestspielen zum Vergleich einladende Komplettangebot der Rosenkranzsonaten am 18./19. Juni im Palmensaal der Orangerie im Neuen Garten. Peter Buske
Peter Buske
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