Kultur: Meer und Hafen
Liederpoet Gisbert zu Knyphausen im Lindenpark
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Er trägt einen Namen, der fast sofort auf weißes Hemd und schwarzen Anzug schließen lässt, dazu klassische Hausmusik, vielleicht an Klavier oder Cello.
Das weiße Hemd hat der Musikpädagoge und Labelgründer tatsächlich an, doch sonst ist der Musiker Gisbert zu Knyphausen – Wilhelm Enno Freiherr zu Innhausen lassen wir jetzt mal weg –, eher leger gekleidet. Die Hose sitzt lässig, das Hemd ist zerknittert, das Haar eher ungekämmt. Und statt Hausmusik gibt es Liedermachertypisches mit Bandverstärkung.
Gisbert zu Knyphausen, der sich da vorn auf der Bühne des Lindenpark auslebt, scheinen zwei Herzen in der Brust zu schlagen. In den wenigen Solostücken, die er auf der Setliste am Montagabend hat, spürt man seinen Hang zum Liedermachen. Vorbilder wie Ton Steine Scherben oder Element Of Crime hört man sofort heraus. Alles ein wenig schwer oder einem wütenden Aufschrei ähnlich, trotzdem romantisch, sogar poetisch. Kommt die Band dazu, lässt sich seine Freude an rockigeren, lauten Tönen nicht verleugnen. Aber immer wieder schrauben sich die eher melancholischen Songs schließlich zu einem emotionalen Feuerwerk empor, in das Bass, Gitarre und Schlagzeug euphorisch einsteigen.
Und natürlich muss man auch die Texte beachten. Der sympathische, eher zurückhaltende Musiker legt viel Kluges und Wahres in seine Songs, die auf bisher zwei Alben gebannt sind, und viele der Gäste im gut besuchten Lindenpark sind bereits infiziert und können jede Zeile mitsingen. Der einstige Wahlhamburger kann weder seinen Hang zu Meer und Hafen verbergen, noch die große Liebe zum Leben, das uns zwar beutelt, aber trotzdem immer wieder aufstehen lässt.
Formulierungen wie „... das Leben ist grässlich und wunderschön“, „... den Arsch voll Glück“ oder „... in diesem Kopf ist kein Platz mehr“ bleiben an diesem Abend hängen und stehen für einen expressiven, trotzdem sensiblen und nachdenklichen Künstler. Und als es schließlich Zeit ist für die Zugabe, wird es noch einmal spannend.
Den Einstieg in den Abend hatte der Hamburger Nils Koppruch bestritten, der, ehemals Sänger und Texter der Band Fink, jetzt solo und mit Akustikgitarre behangen, Nachdenkliches, durch Blues oder Folk Eingefärbtes bietet. Er stehe auf Lieder, die man nicht nur singen, sondern auch benutzen könne, sagt er und singt lächelnd „Komm küssen“, von seinem aktuellen Album „Caruso“.
In der Zugabe nun gibt es eine Symbiose zwischen den beiden Künstlern, und die ist vielleicht das Spannendste am ganzen Abend. Hier stimmen Ton und Instrumentalisierung und der philosophische Text von „Knochen und Fleisch“ ist verstörend und faszinierend gleichermaßen. Diese Zusammenarbeit wurde gerade erst auf Vinyl gebannt und macht neugierig auf Zukünftiges. Aber erst einmal gilt es, die aktuelle Tour zu bestreiten. Die glücklicherweise auch in Potsdam Station machte. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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