Kultur: Mehr Mut zum Tod
Mit „die therapie“ kommt die dritte Inszenierung der Spielzeit vom HOT-Jugendclub zur Premiere
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Im Jugendclub des Hans Otto Theaters wird viel gearbeitet: Zwei Premieren gab es bereits in der laufenden Spielzeit, am heutigen Mittwoch ist die dritte – und es wird bereits an einem vierten Stück geprobt. Ein Spiegel dessen also, was die heutige Jugend so bewegt – und das muss nicht immer rosig und angenehm sein.
Im Stück „die therapie“, das heute um 19.30 Uhr in der Reithalle zum ersten Mal aufgeführt wird, geht es – um den Tod. Ein hartes Thema, das schattig, bedrohlich und schwer im Raum zu stehen droht – aber eben auch ein Thema, das durchaus tabuisiert wird, gerade auch von jungen Menschen, die ja leben sollen. Insofern ist es schon gewagt, ein Theaterstück dazu zu schreiben. Im Team wurde sich zusammengesetzt, um Fragen zu diskutieren, die einen erst einmal verstummen lassen können: Welche Wege gibt es zum Tod? Wie ist es, wenn wir wüssten, wann wir sterben?
„Man kann ja keine Meinung daraus ziehen. Es gibt viele annehmbare Empfindungen, aber kein endgültiges Ergebnis“, fasst Josephine Niang, eine der beiden Autorinnen, die auch Regie führen, zusammen. Es gehe nicht um richtig oder falsch, um gut oder schlecht, sagt ihre Partnerin Sophia Kopp. Dass der Tod immer als etwas Schweres empfunden wird, war beiden klar: „Tod und Sterben sind ja auch zwei komplett verschiedene Dinge“, sagt Josephine Niang.
Im Mittelpunkt steht eine Therapeutin, deren sechs Patienten in unterschiedlicher Beziehung zum Tod stehen. Und zum Leben, das ja immer auch eine Therapie sei. Alle Charaktere müssen sich dem Thema Tod stellen, verschiedene Meinungen prallen aufeinander. So entsteht ein Gerangel darüber, welche Meinung nun die richtige sei – erst recht, als sich die Therapeutin einschaltet. Diese ist die zentrale Figur des Stückes, auch wenn alle Figuren wichtig sind und letztlich jeder gleichwertig sei. Jede der Figuren habe ihre eigenen Probleme: Ein Waisenkind ist dabei, ein krankes Mädchen, eine junge, verzweifelte Frau, die ungewollt schwanger wurde und nun mit dem Thema Abtreibung konfrontiert wird.
„Wir haben sehr viel zu dem Thema recherchiert, gemeinsam mit den Schauspielern“, sagt Josephine Niang. „Das, was dabei gesagt wurde, haben wir zu einem Text zusammengefasst und dadurch die Rollen angepasst.“ So seien die Charaktere auch den Schauspielern auf den Leib geschrieben worden. Die Therapeutin wird dabei von zwei Personen gespielt, was nicht nur an der Textmenge liegt: ein Griff in die Trickkiste, um die gespaltene Persönlichkeit darzustellen. Gestorben wird in dem Stück jedoch nicht: Man habe zwar darüber nachgedacht, jemanden sterben zu lassen. „Aber das hätte nicht das ausdrücken können, was wir wollten – und das Stück vielleicht in eine andere Richtung gelenkt“, sagt Sophia Kopp.
Es gebe in jedem Alter Phasen, in denen man über den Tod nachdenke. „Schon dass wir alle sterben müssen, zeigt doch die Präsenz des Themas Tod“, sagt Josephine Niang. Der Tod ist eben auch faszinierend – was nicht heißt, dass er das Leben zu sehr beeinflussen sollte. Aber manchmal brauche es etwas mehr Mut zu Gedankenspielen. Oliver Dietrich
Premiere von „die therapie“ am heutigen Mittwoch, 19.30 Uhr, Reithalle, Schiffbauergasse. Der Eintritt kostet 4 Euro
Oliver Dietrich
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