Kultur: Mehr Respekt vor Johnny Johnny-Cash-Abend
in der „Waschbar“
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„Heinrich Doc Wolf“ ist es verdammt ernst, wenn es um sein Idol Johnny Cash geht. „Mehr Respekt vor John!“, fordert er vom Publikum, das am Samstagabend zahlreich die Räume der „Waschbar“ in der Geschwister-Scholl-Straße zu sprengen droht. Trotz zusätzlicher Bestuhlung müssen verspätet eintreffende Gäste das Konzert im Stehen verfolgen. Es sind hauptsächlich Studenten, so um die 20 Jahre alt, denen der Tod der Country-Legende (am 12. September 2003) persönlich wohl nicht unbedingt sehr nahe ging.
Der „Wolf“, mit bürgerlichem Namen Heinrich Wulfes, wird ungeduldig. Er scheint sonst ein netter Typ zu sein. Mit seinen langen, buschigen Koteletten, dem Bierbauch und seiner gemütlichen Art wirkt der Mann aus dem niedersächsischen Gifhorn wie ein Fernfahrer. Nun aber kündigt er „Hurt“ schon zum dritten Mal an, jenen letzten Song, den Johnny Cash kurz vor seinem Tod aufnahm. Es war eine Art schmerzvolle Bilanz, die Cash mit „Hurt“ hinterließ. Obwohl der Song von den jungen Rockern „Nine Inch Nails“ stammt, passt er doch auf das wechselvolle Leben des Country-Sängers, der Musikgeschichte schrieb. Auf MTV lief dazu sogar ein beeindruckender Video-Clip. Aber die junge Leute am Tresen wollen einfach nicht in Ehrfurcht verstummen und unterhalten sich. „Heinrich Doc Wolf“ lässt die Gitarre sprechen, schlägt die Akkorde zu „Hurt“ an, geht auf die „Störenfriede“ zu, ohne etwas zu sagen – bis es wirklich still ist.
Der „Johnny-Cash-Abend“ in der Waschbar gerät zur Unterrichtsstunde. Die Anekdoten um den „Man in Black“, die der „Wolf“ erzählt, kommen zwar noch interessant und unterhaltsam rüber. Etwa: Vor einigen Jahren drückte ihm jemand die erste von Johnny Cash''s „American Recordings“ in die Hand und bescheinigte dem Gifhorner, er habe dieselbe Stimme. Kurz danach ersteigerte Heinrich Wulfes einen Cadillac aus dem Cash-Nachlass und lernte einige Familienmitglieder kennen und plaudert so einiges aus dem „Nähkästchen“. Dann die Unterrichtsstunde: Der Cash-Interpret hat noch einen Cash-Biographen mitgebracht, der sein Buch zur Ansicht im Publikum herum gehen lässt und peinlich darauf achtet, dass es nicht wegkommt – was dann doch passiert. Wie ein Musterschüler sagt der Biograph sein Wissen auf, wenn der „Wolf“ ihn fragt und dann singt er auch noch – was er definitiv nicht kann. Dagegen hat „Heinrich Doc Wolf“ unbestritten eine mächtige Stimme, tief und voluminös. Aber zu viel Heldenverehrung trübt den Hörgenuss. KaSa
KaSa
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