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Kultur: Mehr Tanz als erzählte Geschichte

„Cross the line“ im Hans Otto Theater

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Wenn Ballett auf HipHop trifft, klingt das nach Grenzübertretung. Klassische Musik trifft auf knallharte Beats, Präzision auf Freiheit. Die Frage nach der Umsetzbarkeit eines solchen Projektes sollte am Samstag im Hans Otto Theater Potsdam eine Antwort erhalten. Hier hatte „Cross the line“ Premiere. Die Potsdamer Choreografin Marita Erxleben hat mit Tänzern und Nachwuchstänzern ihrer Dance Company ein Stück erarbeitet, in dem Balletttänzer in Spitzenschuhen zu moderner Rockmusik tanzen und Breakdancer sich an klassischen Posen probieren.

Das Konzept klingt spannend und frisch, die Stimmung im Saal an diesem Abend ist familiär. Ein Großteil des Publikums scheinen Angehörige der kleinen und großen Tänzer, die in den nächsten eineinhalb Stunden auf der Bühne zeigen, was sie in im Tanzstudio erarbeitet haben.

Das Intro ist gelungen. Auf einer transparenten Stoffbahn werden via Video kleine und große und ganz verschiedene Zahnräder projiziert, die unterschiedliche Assoziationen zulassen. Ist hier das Aufeinandertreffen von differenten Vorlieben, Musiken und Persönlichkeiten, die irgendwie doch ineinander passen, gemeint oder eher das innere Abbild einer Uhr und die damit verbundene Veränderung durch Zeit?

Hinter der transparenten Wand, ähnlich einem Schattenriss, bewegen sich die Tänzer in ihren ganz eigenen Stilen in einem nicht versiegenden Strom von Aktion. Man sieht die typisch expressiven, coolen Bewegungen des Breakdance und das präzise, disziplinierte Tänzeln des Balletts. Dazwischen die weichen Bewegungen des Modern Dance, die beide Stile miteinander zu verbinden scheinen.

Über all das legt sich schließlich eine Videoprojektion, in der die Protagonisten dem Betrachter Einblicke in den Tanzalltag geben und ihren ganz eigenen Vorlieben und Leidenschaften Ausdruck verleihen. Eineinhalb Stunden später wünscht sich der ein oder andere Zuschauer vielleicht, das Stück wäre ähnlich sensibel und kunstvoll aufgebaut gewesen wie in dieser Videoprojektion. Doch in der Aneinanderreihung der folgenden Szenen, ohne Ausnahme unterlegt mit überlauter moderner Pop- und Rockmusik, sucht man beinahe vergeblich nach der Story, den leisen Tönen, nach der Sprache der Körper, die doch eigentlich eine Geschichte erzählen sollten. Die Geschichte eines ganz normalen Schulalltags nämlich, in dem die Geschlechter und Persönlichkeiten aufeinander treffen, sich berühren, sich entwickeln sollen. Doch während anfangs das Bühnenbild noch ganz klar eine Situation im Klassenzimmer suggeriert, geht der Kontext im Verlauf des Stückes immer wieder verloren. Stattdessen entsteht schnell der Eindruck, im Vordergrund stehe eher eine Präsentation des Tanzstudios von Marita Erxleben mit all den Facetten des dort Erlernbaren.

Doch es gibt, neben dem gelungenen Intro, weitere Lichtblicke. Die Professionalität einiger Tänzer ist beeindruckend. Hawk, der 39jährige Breakdancer, der auf eine jahrelange Erfahrung zurückblickt, beweist sogar schauspielerisches Talent. Er tanzt nicht nur hervorragend, sondern entwickelt durch Mimik und Gestik eine ernstzunehmende Figur. Er ist es auch, der in einer leisen Szene den richtigen Ton trifft. Er hat sich in ein Mädchen verliebt, aber diese Mädchen tanzt Ballett und er ist Breakdancer und eigentlich geht das gar nicht. Doch er mag sie und er übertritt die Grenze und versucht sich an dem, was sie so liebt, nämlich an diesem zarten Tanz in Spitzenschuhen. Eine wunderbare, sehr sensible Szene.

Herausragend auch Franziska Hämmerle und Christian Karth. Dieses Paar überzeugt von Anfang an. Beiden merkt man ihren Spaß am Tanzen an. Sie haben ein bemerkenswertes Körpergefühl und eine Körpersprache, die keiner Unterstützung mehr bedarf. Bedauerlich deshalb auch die permanente, manchmal viel zu plakative musikalische Untermalung jeder einzelnen Szene. Manchmal ist weniger mehr.

Positive Aspekte hat „Cross the line“ allerdings allemal, soll das Stück doch auch die Freude am Tanzen vermitteln und den Facettenreichtum der körperlichen Bewegung zeigen. Jeder große und kleine Protagonist hat in „Cross the line“ seine ganz persönliche Freude am Tanz zum Ausdruck gebracht hat. Und das wird nicht ohne Wirkung bei vielen im Publikum geblieben sein. Andrea Schneider

Nächste Vorstellung am Freitag, 4. Dezember, 19.30 Uhr im Hans Otto Theater. Karten unter Tel.: (0331) 98 11 8

Andrea Schneider

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