Kultur: Mehr war nicht zu sagen
Ralf-Günter Krolkiewicz verabschiedete sich mit Carlo Goldonis „Diener zweier Herren“ als Intendant des HOT
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Ralf-Günter Krolkiewicz verabschiedete sich mit Carlo Goldonis „Diener zweier Herren“ als Intendant des HOT Von Gerold Paul Die Kunst im Allgemeinen stand wohl immer zwischen Baum und Borke: Diente sie einem Herrn, ist nicht selten Gutes daraus geworden, diente sie nur sich selbst, trat gelegentlich das Gegenteil ein. Meist jedoch ist üblich, dass sie, um des lieben Überlebens willen, zwei Herren gleichzeitig folgt, nicht nur im Museumsbereich, wie jüngst in den PNN zu lesen. Auch die Theater hängen ja am Tropf ihrer Stadt, und so ist es nur folgerichtig, wenn Ralf-Günter Krolkiewicz, nachdem er im „Lear“ über die mutmaßliche Verwendung seines intendantischen „Erbes“ reflektierte, sich in seinem siebten Jahr mit Carlo Goldonis „Diener zweier Herren“ (1745) als inszenierender HOT-Chef verabschiedet. So waren zur Premiere am Donnerstag im Innenhof des Pfingstberg-Belvedere“s zwei Stege kreuzweise über das Wasserbassin gezogen, sie teilten den Spielraum in vier gleiche Quadranten. Auch zwei Ruderkähne kamen zum Einsatz, einer war für die Soufflage gedacht, im zweiten fuhr die meist puppige Personage durch Venedigs Kanäle, hübsche, sehr attraktive Idee (Bühne und Kostüme Marianne Hollenstein, Christian Klein). Die italienische Gruppe „Musicando e via“ spielte, auch während der Handlung, venezianische Lieder mit Herz und Schmerz live. Das war Sommertheater fürs Auge und fürs Gemüt, wunderbar. Goldoni, für die Wiedergeburt der alten Commedia verantwortlich, schuf seiner Heimatstadt Venedig auch die ersten Charakter-Komödien im Stile Molières, in Alternative zu seinem Widersacher Gozzi, der sich vorwiegend dem Märchen- und Maskenspiel verpflichtete. Masken und einen große Puppen jedoch regierten in Ralf-Günter Krolkiewicz“ Inszenierung Auge und Geist. Die Idee selbst ist so hübsch wie attraktiv, zumal mit Melanie Sowa, Lutz Großmann und Pierre Schäfer ganz ausgezeichnete Führer dieser wundersam lebendigen und ausdrucksstarken Figuren zur Verfügung standen, und sich mancher Effekt daraus ziehen ließ, als einige dann zu lebendigen Darstellern (Beatrice, Florindo, Tebaldo) wurden. Ob diese Melange aus Puppe und Mensch aber dem Protagonisten Truffaldino in der achtzigminütige Aufführung wirklich hilfreich war, ist genauso zweifelhaft wie die Verwendung einer kupierten Text-Bearbeitung (Bruno Hübner), darin Handlungsstränge zwar gesetzt, aber nicht zu Ende gebracht werden, wie die Blandina-Geschichte. Günter Junghans, eher Typ denn Charakter, musste letztlich alles alleine spielen: Weder Kaufmann Pantalon und Advokat („die beiden Alten“) als Puppen waren ihm wirklich dramatische Widersacher, noch schienen seine beiden Herren, die als Mann verkleidete Beatrice (Melanie Sowa) und der flotte Florindo (Lutz Großmann), Junghans“ kraftvoller Darstellung des alternden und stets hungrigen Dieners gewachsen, den nur seine flinke Zunge (schönes Beiseitesprechen) und gehöriges Lügen vor der finalen Katastrophe bewahrte. Er bringt nicht nur Koffer und Geldbeutel durcheinander, schließlich auch die Speisen, ohne dass seine blassen Chefs wirklich durchgegriffen hätten (die alte Schwäche). Nein, er treibt seine beiden Herren sogar an den Rand des Selbstmordes – nicht schlecht, dieser Specht. Aber darum ging es dem Intendanten beim Abschiednehmen gar nicht. Er inszenierte ein recht luftiges Ding mit seiner Botschaft, zwischen Regietheater und Stegreif-Komödie pendelnd, bunt, amüsant, nur ein wenig zu gleichförmig geraten: Nach den Regeln einer Charakter-Komödie sollte Truffaldino, der einsame Protagonist, am Ende wohl „ein anderer“ sein, doch Junghans fand in der Stetigkeit seines Spiels keine Steigerungsmöglichkeiten mehr, auch wenn er sich beim Dienen sichtlich erschöpfte. Angenehm aber, wie er im illuminierenden Licht mit seinem Publikum spielte. Nachdem die Täuschung also entdeckt ist, folgte das erwartete Resümee der Intendanz: „Nur aus Leidenschaft fürs Dienen habe Truffaldino zwei Herren versorgt“ und dabei „nichts als gelitten“, hätte sogar Prügel einstecken müssen – „und alles nur aus bloßer Leidenschaft!“ So verabschiedete sich der agile Günter Junghans bei der Premiere in Stellvertretung von seinen Zuschauern. Klare Worte. Eine für Krolkiewicz“ „unverhoffte“ Ehrung auf den Wassern folgte. Das Ministerium dankte, der Pfingstberg-Verein desgleichen, die Kulturbeigeordnete Gabriele Fischer mit nicht eben leidenschaftliche Worten im Auftrag von OB und Stadt, welcher er so lange, und zwischen den Stühlen, zu dienen hatte. Er bleibe Potsdam ja erhalten, „wenn auch vielleicht in anderer Funktion“, sagte sie. Man reichte schöne Blumen. Er selbst dankte allen Getreuen und seiner Frau mit entwaffnender Kürze: „Mehr hab“ ich eigentlich nicht zu sagen“. Diese Inszenierung hat ja die Antwort gegeben. Kein Paukenschlag, eher ein stilles Ade, wie es die Art von Ralf-Günter Krolkiewicz wohl immer schon war.
Gerold Paul
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