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Kultur: Mehrchörige Begegnungen

Cantus Cölln und Concerto Palatino mit „San Marco an der Elbe“ in der Friedenskirche

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Wandelt man im Markusdom zu Venedig in schwindelnder Höhe von einer Musikempore zu nächsten, erahnt der Musikliebhaber: Nur an diesem Ort konnte die Mehrchörigkeit „erfunden“ werden. Giovanni Gabrieli, Organist an San Marco, hat solche Raumklangdramaturgie natürlich in seine Noten mit einkomponiert. Solche Neuerungen sprechen sich natürlich schnell herum. Den deutschen Tonsetzer Heinrich Schütz zieht es daher zu Gabrieli nach Venedig, wo er nicht nur die Mehrchörigkeit, sondern auch des Lehrers Kunst der ausdrucksstarken Textvertonung erlernt. Nach seiner Berufung nach Dresden schreibt Schütz als erstes seine meisterlichen „Psalmen Davids“ op.2. Sachsens Glanz erfährt hier frühe Entstehung. Solcher Ruf wiederum lockt italienische Künstler an die Elbe – wovon wir Preußen nun bei den diesjährigen Musikfestspielen gar prächtig profitieren!

Das renommierte vokal-instrumentale Ensemble „Cantus Cölln“ und „Concerto Palatino“, eine Blechbläservereinigung von Barockposaunisten und Zinkenisten, berichteten unter der anfeuernden Leitung von Konrad Junghänel unter dem Titel „San Marco an der Elbe“ am Sonntag von diesen historischen Musikeraustauschen. Auch wenn sie in der Friedenskirche „nur“ im Altarraum postiert sind, wird durch die wechselnden Gruppierungen von Sängern und Instrumentalisten ein Eindruck von den damaligen Möglichkeiten des Klangexperimentierens gegeben. Meistens sind die acht Sänger, um die Mehrchörigkeit anzudeuten, in zwei vierstimmige Gruppen aufgestellt, wobei die einzelnen Stimmen munter miteinander gemischt sind.

Allesamt sind die Vokalisten Spezialisten ihres Faches. Von seltener Reinheit und Klarheit, Intonationssicherheit und eindringlicher Ausdrucksstärke, von höchst feinsinnigem Farbenreichtum und Differenzierungsvermögen sind ihre Stimmen geprägt. Schützens „Magnificat“ sowie drei Psalmen Davids künden davon auf geradezu maßstabsetzende Weise. Geschärft ist sowohl die instrumentale als auch vokale Rhetorik, wodurch sich ein Höchstmaß an Klangverschmelzung und Eindringlichkeit einstellt. Bei jedem der Stücke ist die Lust der Künstler und des Publikums groß, die polyphonen Strukturen erzeugen und erkennen zu können. Ein himmlisches Vergnügen, auch wenn mitunter eine Sopranistin oder die Bassposaune zu vordergründig tönen. Mit der Motette „In ecclesiis“ kommt Lehrmeister Gabrieli zu Gehör, wobei diesmal die Sänger – links Alte und Tenöre, rechts Bässe und Soprane – in der ersten Reihe stehen. Dahinter sind die Bläser, Geigen und Bratschen, das Continuo mit Violone und Truhenorgel postiert.

Für die Missa in a von Marco Giuseppe Peranda, von Johann Sebastian Bach bearbeitet, wechseln alle die Plätze, um im klangstrengen Geschehen durch ein bewegliches, verzierungsreiches, geradezu prunkendes Spiel neue Akzente zu setzen. Koloraturengespickte Arien sorgen für weitere klangliche Abwechslung. Die gibt es in der a-Moll-Vertonung des „Magnificat“ von Johann Rosenmüller reichlich. Abrupte Stimmungswechsel zwischen Jubel und Verinnerlichung, zwischen sängerischen Tutti- und Solopassagen, teilweise im tänzerisch beschwingten Parlandostil, weisen weit in die Welt des Barock. Zwischendurch sorgen mehrstimmige Sonaten von Massimiliano Neri und Francesco Usper für getragene, warm getönte, schlicht-eindringlich musizierte Klänge. Spröde Schönheit der Streicher verbindet sich dabei mit sonorem Edelklang der Posaunen und dem virtuosen Strahlen der Zinke. Enthusiastischer Beifall für den beeindruckenden Hörausflug ins venezianische Elbflorenz. Peter Buske

Peter Buske

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