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Von Dirk Becker: Meister zwischen den Stilen

„Zauber der spanischen Gitarre“: Antonio de Cádiz gastierte im Alten Rathaus

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Es gibt so viele, die diese Gratwanderung wagen. Doch nur wenige meistern sie. Sich auf einen Stil festzulegen, fällt den wenigsten Musikern leicht. Es impliziert, sich beschränken zu müssen. Und so viel gibt es, das reizt, ausprobiert zu werden. Das liegt nahe, denn gegenseitige Einflüsse und Parallelen lassen sich dabei immer wieder entdecken.

Der Gitarrist Antonio de Cádiz, der am Samstag im Alten Rathaus zu Gast war, bewegt sich äußerst lebhaft zwischen den unterschiedlichen Stilen, die sein Instrument zu bieten hat. In Deutschland aufgewachsen, hat ihm seine aus dem andalusischen Cádiz stammende Großmutter schon früh den Flamenco nahe gebracht. Das allein aber reichte nicht. Von südamerikanischer Musik und Jazz ließ er sich beeinflussen und entschied sich, trotz vielversprechender Auftritte als junger Flamencogitarrist, für ein Studium der klassischen Gitarre. Doch Cádiz gehört nicht zu den Musikern, die irgendwann schmerzlich erkennen, dass sie sich für einen Stil entscheiden müssen, um es zur Meisterschaft zu bringen. Bei diesem Gitarristen gilt: Je mehr, umso besser.

„Zauber der spanischen Gitarre“ war das Programm von Antonio de Cádiz im Alten Rathaus überschrieben. Das klang beängstigend nach einer dieser Best-off-Aufnahmen, auf der sämtliche Gassenhauer spanischer Gitarrenmusik versammelt sind. Doch bis auf Tarregas „Capricho Árabe“ und „Recuerdos de la Alhambra“ waren von diesen üblichen Verdächtigen an diesem Abend keine zu hören. Dieses Konzert dominierte der Flamenco. Und damit wusste Cádiz manch zauberhaften Moment zu schaffen.

Knappe 70 Minuten währte dieses spanische Abenteuer im fast ausverkauften Saal. Antonio de Cádiz zeigte dabei, dass der Flamenco wie kaum eine andere Musik beim Hörer derart intensiv Landschaftsbilder sicht- und fühlbar machen kann. Ob Rumba, Fandango oder Buleria, all die Spielarten des Flamencos, schon mit den ersten Tönen hatte sich Spaniens Süden im Alten Rathaus breit gemacht. Ob drückende Mittagshitze, erfrischender Wind vom Meer her oder die dunkle Kühle spanischer Nächte, Cádiz’ Spiel ließ einen dies alles fühlen. Trotz mancher offenherzigen Hinwendung, sein Flamenco blieb dabei immer die unnahbar-stolze und spröde Schöne. Die klassische Ausbildung ist auch bei Cádiz'' Flamencospiel zu hören. Sein Anschlag ist kraftvoll, geht aber nie soweit, die physischen Grenzen seines filigranen Instrumentes auszutesten. Akzentuiert und dynamisch seine Gestaltung, wobei er dabei das Ohr des Hörers unaufdringlich auf die Feinheiten und zahlreichen Zitate im Flamenco hinzuweisen versteht. Und so mag es Einbildung oder vielleicht doch Absicht des Gitarristen gewesen, dass man in seiner Zapateoda für einen kurzen Moment die Rossiniana von Giuliani zu hören glaubte.

Das Antonio de Cádiz während des gesamten Konzertes nicht ein Wort an des Publikum richtet, mag manchen verwundert haben. Unfreundlich war dieses Schweigen nicht. Cádiz ließ die Musik sprechen, und das ausdrucksvoll genug. Feurig tänzerisch, ob in einer Soleá oder seiner Tango-Triologie, zart-verklärend in den lyrischen Passagen. Was seine technischen Fähigkeiten betraf, ließ Cádiz kaum Zweifel aufkommen. Einziger Wermutstropfen blieb Tarregas „Recuerdos de la Alhambra“ als zweite Zugabe. Dabei wurde das Tremolo von einem störenden Nebengeräusch geplagt. Wahrscheinlich hatten die Fingernägel an Cádiz’ rechter Hand unter den andauernden Flamencoattacken gelitten, was jetzt nicht mehr zu überhören war. Egal, seiner Stellung als Meister der Gratwanderung zwischen den Stilen tat dies kein Abbruch.

Dirk Becker

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