Kultur: Meisterlich? Kaum!
Ernüchterung zwischen Traum und Wirklichkeit / Alexander Untschis hochgesteckten musikalischen Ziele
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Das Ganze ist ambitioniert, der Maßstab hoch gehängt, die Fußstapfen, in die man tritt, überaus groß. Es geht wieder einmal um die Belebung der legendären Meisterkurse im Marmorpalais, die sich mit glanzvollen Namen wir Edwin Fischer, Wilhelm Kempff, Franziska Martienssen-Lohmann, Leonid Kreutzer oder Georg Kulenkampff verbinden. Ein Who-is-Who damaliger musikalischer Spitzenkräfte, die dafür sorgten, dass ab 1931 die sommerlichen Meisterkurse des Musikinstituts für Ausländer und damit die Stadt Potsdam zu einem internationalen Anziehungspunkt für Nachwuchsmusiker aus aller Herren Länder wurden.
Alexander Untschi, seit drei Jahren in Potsdam lebender Pianist, hat bei Paul Badura-Skoda studiert, der wiederum ein Schüler von Edwin Fischer war. So schließt sich der Kreis, und es hört sich wunderbar an, dass Untschi seinen Wiener Professor für die erste Ausgabe der neuen Meisterkurse im Juli 2009 nach Potsdam holen will. Da scheint es doch, dass eine herrliche Tradition eine wünschenswerte Fortsetzung erfährt. Wären da nicht die berühmten Stolpersteine. Zunächst einmal plante Untschi Eröffnungskonzert und Kurs, wenn schon nicht im Marmorpalais, dann an ebenfalls schönem Orte: dem Palais Am Stadthaus.
Dass schließlich die Besucher des Konzerts am vergangenen Samstag ihre Schritte in die Bertinistraße 4 lenkten, um in der ehemaligen Mendelssohn-Villa vom gastgebenden Ehepaar Fischer begrüßt zu werden, wurde in seinem Grunde nicht erläutert. Den spontan ihre Pforten öffnenden Hausherren gebührt der Dank, auch, da sie einer ambitionierten Idee, die drohte, wie eine Seifenblase zu zerplatzen, mit sympathisch-unaufgesetztem Understatement unter die Arme griffen. Soweit so gut. Es war kein regelrecht öffentliches Konzert, und Untschi betonte in seiner eigenwilligen Moderation, dass er dankbar sei für die Gelegenheit, etwas ausprobieren zu können, das nicht gleich vom Kritiker zerrissen würde. (Freilich war die Autorin dieser Zeilen in offiziellem Auftrag da.) Zugleich aber wollte er ganz bewusst das Konzert als Visitenkarte für seinen Meisterkurs verstanden wissen.
Und hier fängt es an, äußerst kritisch zu werden. Einmal abgesehen, dass das Programm vom Strauss-Walzer, über Sonaten von Haydn, Beethoven und Mozart reichte, Chopins Etüden und Nocturnes streifte, auf Schuberts Impromptu und Carl Maria von Webers „Perpetuum mobile“ Wiener Lieder folgten. Es war monströs. „Übe weise Beschränkung!“, möchte man ausrufen. Und ja, auch: „Übe noch ein wenig und achte, wo du spielst!“ Es war kein riesiger Konzertsaal, es waren ein wunderbarer Raum und rund 80 Gäste, die bombastisch zugedröhnt wurden. Ein schöner Stutzflügel, der zunehmend ächzte und klirrte ob der ihn treffenden wuchtigen Tastenschläge. Kaum eine leise Stelle, die Erholung zuließ. Und am Ende war es egal, ob Chopin, Schubert oder Wiener Lied. Unflexibel und spröde im Anschlag, festgefahren im Metrum, ohne dynamische Differenzierung spielte Untschi alles ab, beeindruckte dennoch seine Zuhörer und riss sie zu Bravo-Rufen hin. Doch leider, es war ein substanzloses und bei weitem nicht perfektes Virtuosengeklingel.
Wo war Haydns Tiefsinnigkeit? Wo Chopins Eleganz? Beethovens dramatische Tiefe lebt von Kontrasten! Webers Virtuosität ist schon immer eine kluge und sinnhaltige gewesen! Nicht hier. Schade!
Meisterkurse und Meisterkonzerte wünschen wir uns. Und sollten Badura-Skoda oder Brendel oder Karl-Heinz Kämmerling nach Potsdam kommen, es wäre ein wahrhaft glanzvoller Beginn. Aber bitte nicht so. Christina Siegfried
Christina SiegfriedD
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