Kultur: Menschen aus Holz, Bronze und Herz
Ausstellung des Tiroler Bildhauers und Malers Guido Sotriffer im Alten Rathaus
Stand:
Ratlos durchwandert man im Alten Rathaus das Labyrinth mit den Arbeiten des Tiroler Bildhauers und Malers Guido Sotriffer. Eng stehen die Skulpturen, dicht hängen die Bilder an der Wand. Unmöglich, etwas über den Künstler oder gar die Entstehungsjahre der Werke zu erfahren, es gibt keine Titel, die, so war nachträglich zu erfahren, der Künstler seinen Arbeiten deshalb nicht zumuten wollte, weil sie das Eigenständige des Werkes eventuell mit Bedeutung überfrachten würden. Nun gut, ohne Titel kann man leben. Aber ohne Jahresangaben?
So wird einem denn „brut“ ein Großteil des 1936 in St. Ulrich im Grödnertal geborenen und ebendort 1998 verstorbenen Guido Sotriffer präsentiert. Direkt am Eingang baumelt eine fleischfarbene, mit Weiß durchmischte Menschengestalt aus wie ein soeben geschlachtetes Tier. Bei der davor platzierten hellbraunen Holzgruppe entstehen die Körper einer aus dem anderen und ihre Nähe strahlt Wärme aus. Eindeutigkeit ist hier nicht gegeben. Und es ist besser, sich an die Menschengruppen und Einzelfiguren zu halten und die Tiere einfach zu übersehen. Guido Sotriffer wurde in die lebendige Schnitzkunsttradition Südtirols hineingeboren, von der er lernte und aus der er wohl zu Beginn seine Inspiration zog.
Doch nicht alle Arbeiten sind aus Holz geschnitzt, einige seiner manchmal an Giacometti erinnernden Bronzen stehen singulär auf dem Sockel, die überlangen Arme hängen am Körper, um sich mit den Händen an den Beinen festzuhalten. Hier könnte man die Suche nach dem aufrechten Gang als Thema orten, bei dem Sitzenden, der seine Knie weit auseinanderspreizt, dessen Hände sich in der Verschränkung berühren, könnte es sich um das Herbeisehnen der möglicherweise verlorenen Mitte handeln.
Die Skulpturenschau wird durch Malerei ergänzt, die, wie die aushängenden Begleittexte mitteilen, als Vorstufe zur Dreidimensionalität dienten. Dabei fällt insbesondere jenes Bild auf, von dem vor dunklem, bedrohlichem Hintergrund drei Gestalten schräg und vielleicht hilfesuchend auf den Betrachter glotzen. Die Gruppe scheint in sich geschlossen, aber der Blick, den sie aufgesetzt haben, erinnert an die Fratzen von James Ensor. Die körperliche Nähe der Figuren allerdings lässt Hoffnung zu. Unterschiedlich ist der Stil, dessen sich Sotriffer bedient: Expressionistische Grobheit wechselt zu kubistischen Formen, die wiederum von einem Realismus, der aus dem 19. Jahrhundert kommen könnte, abgelöst werden. Insbesondere bei den großen Holzfiguren fühlt man sich an Volkskunst erinnert, so wenn die ungemein dicke, halb liegende Frau eine Denkerpose einnimmt. Im größeren Ausstellungsraum folgt eine weitere Überraschung: Wuchtig steht in der Mitte ein realistisch geschnitztes Paar, das im angeregten Dialog versunken ist. Es wird auf drei Seiten von militärisch akkurat Spalier stehenden, eng angeordneten, kleineren Arbeiten bewacht, als gälte es, hier einen Kriegsschauplatz zu eröffnen. Diese Anordnung mag der begrenzten Ausstellungsfläche geschuldet sein, aber sie wirkt unfreiwillig komisch. Setzt man sich darüber hinweg, kann man ein Werk eines Produktiven entdecken, der versuchte, seinen eigenen Weg durch die Kunst des 20. Jahrhunderts zu bahnen und dabei doch (bewusst?) hinter der Avantgarde zurückbleibt. Lore Bardens
Altes Rathaus, bis 20.1., Di-So 10-18 Uhr
Lore Bardens
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