Kultur: Menschenbilder und Steinskulpturen
Barbara und Robert Raetsch stellen im Atelier in der Kapelle Hermannswerder aus
Stand:
Viele Menschen waren in die Kapelle auf Hermannswerder gekommen, um sich die Ergebnisse der Schaffenskraft von Barbara und ihrem Sohn Robert Raetsch anzusehen. Im Garten flanierten die Menschen zwischen den Schatten spendenden Bäumen, setzten sich auf die von Robert Raetsch geschaffenen Bänke mit den Märchenund Sagengestalten, und fürchteten augenscheinlich nicht, dass sich die Schlangen und vieläugigen Lebewesen verselbständigen und etwa zubeißen könnten. Geradewegs aus einem Fantasy-Roman scheinen diese entsprungen, um hier ein wenig Ruhe nach vielen Abenteuern zu suchen. Sie verhalten sich aber wider Erwarten alle gutartig, so dass man seine eigene Fantasie, wenn man denn möchte, mit den Kobolden, Gnomen und Ungeheuern anreichern kann.
Auch drinnen hat Robert Raetsch plätschernd kühle Springbrunnen aus Marmor mit seiner fremd- und eigenartig wirkenden Vorstellungskraft behauen und beseelt, Doppelgesichter und Hörnerwesen tummeln sich bewegungslos in ihrem steinernen Behau. Immer mal wieder spenden die Lichtobjekte und -kreise beruhigend warmen Glanz, der sich manchmal bis an die Wände erstreckt, an denen die neuesten Arbeiten von Barbara Raetsch hängen.
Die beiden Autodidakten könnten unterschiedlicher nicht sein. Barbara Raetsch, die lange mit ihrem berühmten und zeitweise umstrittenen Ehemann Karl Raetsch ausgestellt hatte, wagte sich erst nach dessen Tod hinter den Fassaden Potsdams, dessen Verfall sie in traurig-schönen Arbeiten dokumentierte, hervor und kommt nun frontal auf die Menschen zu. Diese bringt sie in einen ihnen farblich angemessenen Hintergrund und konzentriert sich gänzlich auf die Ausstrahlung der Gesichter.
Da sitzt die „Dichterin“ mit grünen, alles überstrahlenden Augen schräg im Bild, als wolle sie mit einer Bewegung der rechten Schulter der Direktheit des Künstlerblicks ausweichen, und zweifelt unter dem kurzen Haar anmutig an der Welt. Im „Selbstporträt II“ blickt die Künstlerin aus grauer Umgebung in schwarzer Bluse mit fahlem Gesicht und riesigen, dunklen Augen schräg am Betrachter vorbei, sorgsam darauf bedacht, dass die rote Lippenpartie erotische Funken sprüht.
Jörg Fürstenbergs Hintergrund brennt orangerot wie sein T-Shirt, buschige dunkle Augenbrauen, heller Teint und eine große Nase dominieren das Zentrum. In einem zweiten Porträt von Fürstenberg kommt er als ritterartiger Kapuzenmann daher, der das Fürchten lehrt.
Im Garten lustwandelte eine Frau mit blondem Wuschelhaar, die man in der Kapelle auf mehreren Bildern bewundern kann. Dort lodert ihr Haar dann strohfeurig, die dominante Brille bildet einen streng rechteckigen Kontrast zur Weichheit der Gesichtszüge, und die blauen Augen müssen übertrieben werden, damit sie unter dem schwarzen Brillengestell überhaupt noch durchdringen können. Auch die „Frau mit der gelben Brille" schützt sich wie mit einem Gesichts-Helm durch eine überdimensionale Sehhilfe, die dennoch Platz frei lässt für den Blick auf die dunkel umflorten Augen. Dem „Herrn in Schwarz“ mit Hut und Kommodenbart möchte man nachts nicht alleine begegnen, so finster schaut er drein.
Diese Porträts zeigen eine neue Periode der Malerei von Barbara Raetsch, sie schmeicheln nicht, sie beschönigen nicht, sie offenbaren Trauer und Wut, Selbst- und Fremdzweifel und sind dennoch ganz zarte Wesen, die sich unbeschützt dem Leben stellen.
Lore Bardens
Atelier Raetsch in der Kapelle Hermannswerder, Sa, So und Feiertage 11- 17 Uhr
Lore Bardens
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