Kultur: Menschenmaler mit spitzem Pinsel
Bilder und Zeichnungen von Robert Meyer in der Galerie am Neuen Palais
Stand:
Bilder und Zeichnungen von Robert Meyer in der Galerie am Neuen Palais Von Götz J. Pfeiffer Auf spitzer Nadel spießen Schmetterlingssammler ihre Beute auf. Mit spitzem Bleistift und dünnem Pinsel arbeitet auch Robert Meyer, wenn auch weniger martialisch und stets am lebenden Objekt. Sein optischer Fang ist seit Jahrzehnten immer wieder der Mensch. Eine Auswahl gut 40 neuerer Bilder und Zeichnungen des niedersächsischen Malers, der im Selbststudium zur Malerei kam, ist in der Galerie am Neuen Palais zu sehen. In ihrer realistischen Darstellung wirken Meyers Bilder wie aus dem Leben gegriffen. Die nebeneinander sitzenden, zurechtgemachten Frauen auf „Vollmond“könnte man so am Rande irgendeiner Gartenparty treffen. Doch seltsam ist die geheimnisvolle Beleuchtung von unten und das über den Frauen schwebende, gelbe Nachtgestirn vor dem tiefblauen Himmel. Beunruhigend korrespondiert die flache Mondscheibe mit der frontalen Präsentation der beiden und mit ihren runden Gesichtern. So ist der erste Anblick schnell als nur scheinbar alltäglich entlarvt. Denn bei näherem Hinsehen zeigt sich das Bild immer mehr als genau komponierte Szenerie. Aus der Realität gegriffen wirkt auch der massige Mann „Auf der Parkbank“. Tief beugt er sich hinunter, um einen Spatz zu füttern, der vor ihm auf dem Boden sitzt. Und der? Der beachtet den übermächtigen Goliath nicht, sondern zeigt die stolze Zurückhaltung des siegesgewissen David. Entlarvend ironisiert das Bild die Hilflosigkeit der arroganten Macht des verschmähten Riesen. Lebensnäher noch wirken Studien, die wie im Schnappschuss einen kurzen Augenblick festhalten. Sensibel eingefangen ist das „Mädchen mit Ziehharmonika“, das kurz im versunkenen Spiel innehält, um ihre Augen auf einen nicht gezeigten Dritten zu lenken. Überraschend, wie der weibliche „Akt mit Piercing“ mit zurückgelegtem Kopf den Blick aus schmalen Augen auf den Betrachter tief unter sich gerichtet hält. Empfindet sie denn nicht als ungewöhnlich, einen großen Ring und daran ein gedrehtes Schneckenhaus als Schmuck an der Brustwarze zu tragen? Die Antwort liegt im Auge des Betrachters. Hier wie in allen anderen Bildern thematisiert Meyer den Akt des Anblickens. Man sollte nicht gleich das „Erkenne dich selbst!“ vom delphischen Apollotempel als philosophisches Motto über Meyers Arbeiten meißeln. Doch indem er den Betrachter auffordert, Position zu den Dargestellten zu beziehen, hält er ihm immer wieder einen Spiegel vor. Letztlich verweist er den Betrachter immer wieder auf sich selbst zurück. Die realitätsnahe Malweise, die trotz der Schwere deckender Farben und einer ebenmäßigen, geschlossenen Maloberfläche auch feinere Schattierungen erreicht, wirkt wie eine leicht anzunehmende Einladung. Die surreale Atmosphäre der karg ausgestatteten Szenerien weist den Ausgang, indem sie stets vor Augen hält, dass Meyers Arbeiten eine künstliche Welt in Ausschnitten zeigen. Trotz großer Nähe zum Dargestellten ist der Blick des Malers nur bisweilen zudringlich, selten unangebracht voyeuristisch. Und obwohl seine Ölbilder als abgeschlossene Werke erscheinen, gehen ihnen doch bis in alle Details ausgefeilte Bleistiftzeichnungen voraus. In ihnen konzentriert sich Meyer noch stärker auf die ein, zwei dargestellten Menschen, deutet hier einen Schatten, dort ein Möbelstück an. Mal verdichtet er die kreuzweise geführten Strichlagen eines weicheren Stiftes zu Schatten, dann wieder lichten sich die meist geraden Linien in helleren Bildpartien. Doch selbst beim Anschauen aus der Nähe sieht das Auge mehr die plastische Erscheinung als dahinter ihre grafische Machart. Axel Gundrum, wie Meyer Mitglied der Künstlergruppe „Melpomene“, fand lobende Worte für den feinfühligen Kollegen, der immer wieder mit tiefer Zuneigung von den Gezeichneten und Gemalten erzählt habe. Meyer lebe unter und mit den Menschen, die Akteure seines absurden Theaters wurden. Über die Jahre sei in den Arbeiten ein Spiegel der Zeit entstanden. Und blind ist der, wie Gundrum zu Recht sagte, nicht geworden. Bis 3. Oktober Sa-So 13-18 Uhr
Götz J. Pfeiffer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: