Kultur: Merkwürdiges für die Nachwelt Buchpaten vorgestellt Heute: Ingrid Wolf
410 wertvolle historische Bücher hat die Stadt- und Landesbibliothek Potsdam schon restauriert. 130 Menschen haben eine Patenschaft für ein Buch übernommen.
Stand:
410 wertvolle historische Bücher hat die Stadt- und Landesbibliothek Potsdam schon restauriert. 130 Menschen haben eine Patenschaft für ein Buch übernommen. 138 000 Euro haben sie für die Rettung der Bücher gezahlt, seit die Bibliothek 1997 das Projekt „Buchpaten gesucht“ ins Leben gerufen hat. Im vergangenen Jahr haben allein 28 Buchpaten mit 4860 Euro Spendengeld 18 Bücher gerettet. Die PNN stellen in loser Folge Buchpaten vor. Heute: Ingrid Wolf.
Wer hätte das gedacht? Die Potsdamer Buchpatenschaften sind Thema im Karl-Liebknecht-Stadion. Während die Fußballer des SV Babelsberg über den Rasen rennen, unterhalten sich die Zuschauer auf den Tribünen über Literatur. Ingrid Wolf kann das bezeugen. Die Berlinerin, die seit Jahren Babelsberg-Fan ist, hat so von dem Projekt „Buchpate gesucht“ erfahren. Seit fünf Jahren steht sie nun zerrissenen und zerbröselnden Büchern Pate.
Meist rettet sie historische Bücher, die von Kräutern und Medizin handeln, denn die 55-jährige Zahnärztin mit Praxis in Berlin interessiert sich für Pflanzenheilkunde. Bis zu 150 Euro spendet sie jedes Jahr dafür. 2007 hat sie sich ein Werk mit einem ganz anderem Thema ausgesucht: „Gedächtniß des selb. Martin Luthers von Eißleben – Das Merckwürdigste, was sich mit Luthero begeben“. Das Buch wurde 1718 in Cottbus gedruckt. Zu einer Zeit, als das Wort merkwürdig noch bedeutete, dass etwas erinnert werden sollte.
Genau das ist auch der Grund, warum Ingrid Wolf Buchpatin geworden ist: „Das, was unsere Altvorderen mal geschrieben haben, soll der Nachwelt erhalten bleiben“, erklärt sie ihr Motiv. Es gehe aber auch ums Buch. Denn früher waren Bücher kleine Kunstwerke, findet Ingrid Wolf. „Heute sind sie dagegen fast schon so etwas wie Wegwerfartikel.“
Für Ingrid Wolf waren Bücher immer mehr. Sie gehören zu ihrem Leben. „Ich bin so erzogen.“ Das fing schon an, als sie noch gar nicht lesen konnte. Die Oma hat ihr immer Märchen vorgelesen. Sie erinnert sich noch an das erste Buch, das sie ohne fremde Hilfe gelesen hat: „Peter und Petra“ – ein DDR-Schulbuch über Junge Pioniere. „Das hatte viele schöne Bilder“.
Das frisch restaurierte Lutherbuch hat viele feine Kupferstiche. Entschieden hat sie sich dafür aber aus einem Grund: weil sie es gut findet, dass die Bibliothek Werke mit christlichen Wertevorstellungen bewahren will. Und weil sie ganz in der Nähe der lutherschen Geburtsstadt Eisleben aufgewachsen ist – mitten in einem Dorf in Sachsen-Anhalt.
Manchmal besucht Ingrid Wolf die Potsdamer Bibliothek. „Da stehen die geretteten Bücher in einem Schober – mit Restaurierungsdatum und Namen des Paten“, erzählt sie. Die Bibliothek hält eben nicht nur ihre Bücher für merkwürdig, sondern auch deren Retter. Juliane Wedemeyer
Juliane Wedemeyer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: