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Kultur: Metamorphosen

Neues Kammerorchester eröffnet heute seine Saison

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Neues Kammerorchester eröffnet heute seine Saison Das Neue Kammerorchester Potsdam unter Leitung von Ud Joffe eröffnet heute um 19.30 Uhr in der Erlöserkirche die neue Spielzeit. Das besondere der Dramaturgie seiner Konzerte: Ein bestimmter Komponist steht im Mittelpunkt der gesamten Spielzeit. Nach Mendelssohn wird es nunmehr Franz Schubert sein – der Vater der Romantik. Zwar hat er Beethoven nur um weniger als zwei Jahre überlebt; trotzdem fand Schubert, wenn auch nach lähmender und quälender Suche, zum eigenen Weg einer sinfonischen Musik unabhängig vom „Übervaters“ und dessen unangefochtener Autorität. Mit der Einführung der „romantischen Sinfonie“ nahm Schubert richtungsweisenden Einfluss auf die Entwicklung der sinfonischen Musik im 19. Jahrhundert. Allerdings nicht mehr zu Lebzeiten: Als Schubert 1828 im Alter von 31 Jahren starb, war noch keine seiner Sinfonien öffentlich aufgeführt worden und seine späten Meisterwerke vermutlich noch nie erklungen. Erst etwa ein Jahrzehnt nach Schuberts Tod entdeckte Robert Schumann in Wien die „Großen C-Dur-Sinfonie“ wieder und Felix Mendelssohn Bartholdy dirigierte die Uraufführung in Leipzig. In doppelter Weise hat diese Sinfonie einen Durchbruch bewirkt: Für Schubert den zur großen Sinfonie in „völliger Unabhängigkeit“ von Beethoven und für Schumann und Mendelssohn die Befreiung aus dem Bann dieses „Gewalthabers der Töne“. Wenn überhaupt von einem der großen Komponisten gesagt werden kann, er sei zu früh gestorben, dann von Schubert. Mozarts und Mendelssohns Leben, die kaum länger währten, scheinen im Vergleich dazu erfüllt; da ist gleichsam „alles“ vorhanden, und es ist schwer vorstellbar, was noch „Neues“ hätte kommen können. Bei Schubert ist das anders. Man ahnt, hier wurde eine Tür zugeschlagen, hinter der noch große Schätze verborgen waren. In den kommenden Konzerten wird Schuberts unbeschwerter Einstieg in die sinfonische Welt ebenso wie der Durchbruch zum eigenen Weg erlebbar werden – jeweils kontrastiert mit Werken von Beethoven und Grieg bis Strauss und Strawinsky. Mit der „Vierten“ steht eine seiner frühen Sinfonien auf dem Programm des 1. Sinfoniekonzerts. Wegen ihrer Tonart, c-Moll, und der – vom Komponisten selbst gewählten - Bezeichnung, „Tragische“, wurde Schuberts „Vierte“ mit Beethovens „Fünfter“ in Verbindung gebracht – eine hypothetische Beziehung, die ihr Verständnis eher erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. Offensichtlich wurde Schubert seinerzeit in Mitteldeutschland weniger durch die Beethoven-Brille gesehen als in Wien. Nach der Uraufführung 1849 in Leipzig schrieb die Kritik: „... kurz, wir freuen uns unendlich, ein Werk kennengelernt zu haben, das bedeutsam ist in der Entwicklung Schuberts.“ Kontrast und Gegengewicht zu Schuberts Jugendsinfonie wird geschaffen durch Beethovens Egmont Ouvertüre und der Metamorphosen für 23 Solostreicher von Richard Strauss. Geschrieben im Jahr 1946 ist letzteres Werk ein Klagegesang ohne Worte. Strauss gedenkt dessen, was die 12 Jahre währende Diktatur zerstört hat und gedenkt damit nicht nur der geographischen und kulturellen Heimat eines widerspruchsvollen deutschen Komponisten. Christian Seidel

Christian Seidel

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