Kultur: Militär und Aufbruch
Buchpräsentation im Militärgeschichtlichen Forschungsamt: „Das Militär und der Aufbruch in die Moderne 1860 bis 1890“
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Buchpräsentation im Militärgeschichtlichen Forschungsamt: „Das Militär und der Aufbruch in die Moderne 1860 bis 1890“ Es herrschte ungewöhnlich launige Stimmung im Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA). Grund dafür waren die humorvollen Ansprachen der Vortragenden zur Buchpräsentation. Zum anderen hob augenscheinlich die Stimmung, dass es den 60. Geburtstag des stellvertretenden Amtschefs Oberst i.G. Hans-Joachim Harder zu feiern galt. Buchbesprechung und Geburtstagswünsche wechselten sich in lockerer Reihenfolge ab. Beides lag nicht zufällig beieinander. Harder war maßgeblich an der Ausrichtung der 44. Internationalen Tagung für Militärgeschichte beteiligt. Aus dieser Tagung ging der vorzustellende Band „Das Militär und der Aufbruch in die Moderne 1860 bis 1890 - Armeen, Marinen und der Wandel von Politik; Gesellschaft und Wirtschaft in Europa, den USA sowie Japan“ hervor. Der Zeitabschnitt von 1860 bis 1890 ist im deutschen Raum mit der Person des preußischen Ministerpräsidenten und späteren Reichskanzlers Otto von Bismarck untrennbar verbunden. Nicht zufällig hat sich deswegen die Otto-von-Bismarck-Stiftung als Kooperationspartner zur Verfügung gestellt. Der Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung und ehemalige Bundesfinanzminister, Hans Matthöfer, wertete in seiner Rede das Buchprojekt „auch als besonderes Ereignis für die Stiftung“. In den Zeiten knapper Kassen sei es gelungen in der Zusammenarbeit mit dem MGFA „Lasten zu teilen und Energien zu bündeln“. Die im Buch abgehandelte Zeitspanne sei wegen der gravierenden technischen und gesellschaftlichen Umbrüche für die Menschen sehr schwer zu meistern gewesen. „Insofern drängen sich Parallelen zur Gegenwart auf und die historische Forschung kann helfen zu verstehen, wie schwierig der Weg in die Zukunft ist“, sagte Matthöfer. Prof. Eckardt Opitz, einer der Gründerväter der Universität der Bundeswehr in Hamburg, sparte in seiner Buchbesprechung nicht an Lob und Kritik. „Das Buch demonstriert was moderne Militärgeschichte zu leisten vermag“, sagte Opitz. Mit einem Augenzwinkern „tadelte“ er die Herausgeber, dass im Buch „nur männliche Autoren und maskulin bestimmte Themen“ zu finden seien und man somit der „political correctness“ nicht genüge getan habe. Angesichts des wissenschaftlichen Stellenwertes, den die Publikationen des MGFA gewöhnlich aufweisen, machte er aber auch deutlich, dass das Amt mit seinen Pfunden nicht zu wuchern weiß. Er verwies auf das zurückhaltende, öffentliche Auftreten des MGFA, besonders im Hinblick auf die Kontroverse um die Wehrmachtausstellung vor einigen Jahren, denn „das MGFA hatte entsprechende Ergebnisse bereits vor 30 Jahren publiziert - nur hat sie niemand zur Kenntnis genommen“. Im ersten Abschnitt des Buches beschäftigen sich die Autoren mit der Beziehung zwischen militärischer und politischer Führung in den jeweiligen Ländern. Überall in Europa ist eine Annäherung der Politik an die höchsten Offiziere zu beobachten. Sie werden immer häufiger konsultiert. Es scheint sich ein Konsens zu bilden, dass Außenpolitik immer eine militärische Komponente hat - eine fatale Entwicklung. Weitere Abschnitte thematisieren den gesellschaftlichen Wandel. Der Militarismus in Preußen und die dem Militär abgewandte Gesellschaft der USA stehen hier in einem interessanten Gegensatz. Die militär-technischen Fortschritte bilden einen weiteren Buchteil. Prominentester Exponent des Wandels ist das preußische Zündnadelgewehr, dessen Überlegenheit die Schlacht bei Königgrätz 1866 mit zu entscheiden half. Merkwürdigerweise gelingt es dem Autor etwa zwei Dutzend Seiten lang über die neue Infanteriewaffe zu schreiben ohne auch nur einmal dessen ballistische Leistung zu erwähnen. Den vielleicht etwas überraschenden Schluss bildet ein Abschnitt über Museen, die sich der Visualisierung von Militärgeschichte widmen. Das Buch wendet sich in sehr kompakter Form eher an den interessierten Laien, da die meisten Artikel für den Historiker nicht mit fundamental neuen Erkenntnissen aufwarten. Es bietet einen soliden Einstieg in einen wichtigen Zeitabschnitt.Jörg Muth Michael Epkenhans / Gerhard P. Groß ( Herausgeber): Das Militär und der Aufbruch in die Moderne 1860-1890, München 2003, Euro 34,80
Jörg Muth
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