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Kultur: Minidramen in Emorock

„Lilit“ und „Modulok“ begeistern im Spartacus

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„Lilit“ und „Modulok“ begeistern im Spartacus Man kommt sich als Mann ziemlich verloren vor, zwischen all den jubelnden Frauen und Mädchen im Publikum. Auf der Bühne toben „Lilit“ aus Berlin. Frontmann Harry, der sich selbst als „Diva“ bezeichnet, wird immer wieder mit „Ausziehen!“-Rufen bombardiert. Und auch Bassist Corrado, ein Halbitaliener, muss sich lüsterne Blicke gefallen lassen. Doch Lilit lassen sich nicht erweichen, obwohl sie sich mit ihrem schweißtreibendem „Emorock“ so sehr verausgaben, als spielten sie vor Tausenden im Olympiastadion und nicht im Spartacus, wie an diesem Sonnabend. Emorock – dieser fast schon zum Unwort degradierte Begriff für alternativen Indierock, der aus Amerika rüberschwappt, trifft es wohl am besten, was man von Lilit hört. Genauso wie „Modulok“, die Vorband aus Hamburg, erschaffen sie Gitarrenwände, jenseits von Dur und Moll mit zwitterartigen Klängen, die im selben Augenblick schräg und melodisch sind. Darüber tönt im Falle der Hamburger die unglaublich intensive Stimme von Robin Erdmann, dem Kopf der Gruppe. Er pendelt zwischen Zärtlichkeit und totaler Frustration und klingt dabei so verdammt amerikanisch, dass der Vergleich zu „Dashboard Confessional“, die in den Staaten Megastars sind, einfach aufkommen muss. Mit „Golden mean“ haben die Hamburger zudem auch noch einen Kracher im Repertoire, dass man sich fragt, wann die Band nach sechs Jahren unermüdlichen Tourens endlich den großen Durchbruch schafft. Robin lebt seine melancholischen Texte über das weite Feld der Liebe in jeder Sekunde mit geschlossenen Augen und hält unerbittlich die Spannung aufrecht, was als nächstes passiert – das ist mehr Emo als Rock. Von genau der anderen Seite schleichen sich Lilit in die Herzen des weiblichen Publikums. Ihre Songs sind deutlich expressiver – mehr Rock als Emo. Harry Olschok und Henry Hinze, der Gitarrist und Songschreiber, erinnern dabei mit ihrem wunderschönen zweistimmigen Gesangspassagen an „Jimmy Eat World“, ein ähnliches Kaliber wie Dashboard Confessional. Im Vergleich zu Moduloks Minidramen sind Lilits Songs radiotauglicher. „You and I“, ein verdammt gut gemachtes Stück Rockmusik, war auch schon auf Radio Fritz zu hören. Am Ende des Abends verlangt Harry von den Frauen, dass sie noch einmal „so richtig abgehen, denn für unseren Gitarristen Henry wird es das letzte Konzert in Potsdam sein.“ Das weibliche Publikum frisst ihm aus der Hand und folgt der Bitte. Den Grund für die neuerliche Umbesetzung der Band, die es seit anderthalb Jahren in dieser Formation gibt, erfahren sie dennoch nicht.

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