
© Bettina Stöß/MPS
Kultur: Mischung aus Bekanntem und Neuem
Die Musikfestspiele haben wieder begeisert und überrascht – und mal wieder fehlt das Geld
Stand:
Der Auftakt war ein stiller, dem Gedenken gewidmet. Aber es kam nur eine übersichtliche Zahl an Gästen am Freitag vor dem Eröffnungswochenende der 21. Musikfestspiele zu der musikalischen Andacht in die Friedenskirche.
„Sachsens Glanz trifft Preußens Gloria“ war das 14-tägige Festivalprogramm in diesem Jahr überschrieben, das am Sonntag mit dem traditionellen Open-Air-Konzert am Neuen Palais seinen Abschluss fand. Sachsen und Preußen – eine Beziehung mit Hindernissen, die von Annäherung und freundschaftlichen Gesten genauso geprägt war wie vom Krieg. Diese dunkle, die kriegerische Seite, die im musikalisch geprägten Programmablauf schnell an den Rand gedrängt werden würde, wurde als Mahnung dem Festival vorangestellt. „1648-1760-1945 – ein Gedenken an die Zerstörung Dresdens“ war die musikalische Andacht überschrieben, die vom Vocalkreis Potsdam und dem Organisten Tobias Schleetz sowie dem Superintendenten Joachim Zehner und Klaus Büstrin gestaltet wurde. Musik und Worte, die den, der an diesem Abend in die Friedenskirche gekommen war, die gesamten Musikfestspiele begleiten sollten.
Sie waren wieder ein Fest, die Musikfestspiele 2011. Knapp 470 Künstler aus 21 Ländern gestalteten die insgesamt 93 Veranstaltungen. Darunter 19 Konzerte und acht Opernaufführungen, ein Hoffest für Kinder und das Fahrradkonzert in seiner zweiten Auflage. Es wurden 12 910 Karten verkauft, was einer Auslastung von 91,8 Prozent entspricht. Im vergangenen Jahr waren es noch 95,1 Prozent, im Rekordjahr 2008 sogar 97,7 Prozent. Vor zwei Jahren lag die Auslastung wie in diesem auch bei 92 Prozent. Ein Fest, das seinen regelmäßigen Gast mit liebgewonnener Routine empfing: Volle Konzertsäle, eine bejubelte Opernproduktion und diese ganze besondere Pausenatmosphäre. Ja, es sind diese Konzertpausen, ob vor den Neuen Kammern oder der Orangerie in Sanssouci, vor dem Schlosstheater im Neuen Palais oder vor dem Palmensaal im Neuen Garten, die den Charakter der Musikfestspiele Sanssouci prägen. Das gerade Gehörte und Gesehene wirkt noch nach, während der Blick über die Parklandschaften hin zu den Schlössern und wieder zurückgeht. Momente des Innehaltens vor entsprechender Kulisse, die einem auch die historisch geprägten Themen der einzelnen Festivals immer wieder bewusst werden lassen. Und das alles in einem, was die Zuschauerzahlen betrifft, überschaubaren, ja fast schon familiären Rahmen. Da wundert man sich auch nicht, wenn die Violinistin Rachel Wallfish barfuß in ihren Gesundheitssandalen im Raffaelsaal der Orangerie Sanssouci durch die Dresdener Violinschule jagt. Oder ein wenige Klatsch und Tratsch, wenn man erfährt, dass Rachel Podger in Berlin am Flughafen vergeblich auf ihren Koffer gewartet hat und sich, in Potsdam angekommen, erst einmal ein Kleid für ihren Auftritt kaufen musste. Und wenn der Lautenist Axel Wolff am Ende seines Konzerts eine Zugabe seiner verstorbenen Mutter widmet, wirkt das nicht etwa unpassend oder etwa unangenehm. Nein, durch diese Nähe, die durch die Musikfestspiele zwischen Künstler und Publikum vermittelt wird, gehört das selbstverständlich dazu.
Einen maßgeblichen Anteil an dieser Nähe haben auch die regelmäßigen einführenden Gespräche vor den Konzerten, die Carsten Hinrichs, verantwortlich für die Dramaturgie der Festspiele, mit den Künstlern führt. Keine ausufernden und nicht selten Kopfschmerzen produzierende Werkseinführungen, sondern im angenehmen, unaufgesetzten Plauderton daherkommende Vorstellungen von Instrumenten und ihren Eigenheiten.
Es ist das Vertraute und Neue, das in seiner Mischung den Musikfestspielen schon seit Jahren ihren Reiz gibt. Die beständige Qualität der Konzerte, die hervorragenden Ensembles und die durchdachte Programmgestaltung. Und in diesem Jahr neu der Auftritt der „Jungen Barockoper Sanssouci“ mit „Calandro“ und die Wiederentdeckung der traditionellen Hausmusiken in Potsdamer Villen. Dazu das Angebot für Kinder, die bei „Kindsein wie Friedrich“ ganz im Mittelpunkt stehen.
Was aber leider mittlerweile auch zu den Musikfestspielen dazu gehört, sind Misstöne. Fehlten im vergangenen Jahr 40 000 Euro in der Kasse der Veranstalter aufgrund von Tariferhöhungen, platzte in diesem Jahr pünktlich in der Festspielzeit die Nachricht, dass zum Ende des Jahres die Förderung durch Hauptstadtmittel für Potsdam auslaufen. Die Musikfestspiele erhielten davon 100 000 Euro. Geld, auf das dieses Festival nicht verzichten kann!
Dirk Becker
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