Kultur: Missglückter Auftakt
Die Premiere der Reihe „Klassik plus Gespräch“ mit Wolfgang Joop ging schief
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Die Premiere der Reihe „Klassik plus Gespräch“ mit Wolfgang Joop ging schief Was ein verheißungsvoller Auftakt der neuen Reihe „Klassik plus Gespräch“ werden sollte, ging bedauerlicherweise schief. Wolfgang Joop im Gespräch mit Klaus Büstrin, das klang interessant und hatte auch eine Anzahl Nicht-Potsdamer in den Nikolaisaal gelockt. Nicht nur ein Gespräch zum Thema „Potsdam - New York“ war vorgesehen, auch die musikalischen Beiträge der Kammerakademie Potsdam sollten diese geographisch-biographische Linie widerspiegeln. Leider passte an diesem Abend nichts zueinander. Am Ende seiner Lesereise in seiner Heimatstadt Potsdam angekommen, hatten die Zuhörer wohl ein Gespräch über Wolfgang Joops Werdegang, seinen Roman „Im Wolfspelz“, sein Verhältnis zu Potsdam erwartet. Stattdessen begann es mit einer Umstellung des gedruckten Programms: Statt der Musiker erschien – nach einer Ansage von Klaus Büstrin – der „leicht indisponierte“ Wolfgang Joop auf der Bühne. Damit wurde sofort klar, dass der Abend dem Designer, Zeichner, Schauspieler und Schriftsteller gehörte, und dass er derjenige ist, dem andere zu danken haben:„Eigentlich hätte ich längst einen Potsdamer Preis verdient, denn überall habe ich soviel Werbung für Potsdam gemacht“. Bescheidenheit ist zweifellos keine Eigenschaft, die man braucht, um sich im Modebusiness und im herben Klima von New York durchzusetzen. Nach diesen klaren Worten in eigener Sache las Wolfgang Joop aus den ersten Kapiteln seines Buches. Die Halsentzündung hatte seiner Stimme ein passend wölfisch-raues Timbre verliehen, sehr lebendig, was sich im Laufe des Abends noch steigerte. Nach einem musikalischen Entremezzo ging es weiter, jetzt mit den in New York spielenden Schlusspassagen des Buches. Damit waren genug Anhaltspunkte geliefert, aber dennoch kam kein richtiges Gespräch zwischen Wolfgang Joop und Klaus Büstrin zustande. Es gelang Klaus Büstrin nicht, mehr als Statements aus Wolfgang Joop herauszulocken. Ob Unsicherheit, mangelndes Konzept oder fehlende Routine – so manch einer wunderte sich über die holprige Unterhaltung und die fehlende Souveränität des Fragers. Wunderlich war auch die Musikzusammenstellung des Abends. Das Flötenkonzert von Johann Joachim Quantz, dem Lehrer von Friedrich dem Großen, gab noch einen schönen Eindruck vom friderizianischen Rokoko und der Traumwelt von Sanssouci, die dem jungen Joop seine Kindheit verzaubert hatte. Darauf folgte ein experimentelles, ökologisch inspiriertes, introvertiertes Musikstück von George Crumb über den Gesang der Wale, „Vox balaenae“, das nicht nur Zustimmung fand. Bei ihrer avantgardistischen Musik wirkten die drei maskierten Musiker in ozeanblauem Scheinwerferlicht wie Dinosaurier des – protestantischen – inneren Monologs. Das hatte vielleicht etwas mit der von Wolfgang Joop beschriebenen deutschen Melancholie zu tun, aber rein gar nichts mit der extrovertierten, egozentrischen Modewelt und ihrer kokain-kalten Techno-Musik. Eine Anzahl von Leuten verließ bei den ersten heftigen Klavierakkorden den Nikolaisaal, möglicherweise waren es die Gleichen, die zuvor nach dem ersten Satz des Flötenkonzertes applaudiert hatten. Gänzlich unpassend wirkte das Adagio für Streicher von Samuel Barber. Spätestens hier hätte man sich ein schräges, hektisches Musikstück gewünscht, das etwas von New York und seinem von Joop viel beschworenen, polytoxischen Dauer-Hang-Over der 90er Jahre erzählte. Stattdessen erklang das - zugegebenermaßen wunderschöne Adagio von Barber, ein Trauerstück par excellence, das zur Beerdigung von J. F. Kennedy und im Vietnam-Film „Platoon“ gespielt wurde. Warum gab es nicht wenigstens etwas von Ira Gershwin, wie im Programmheft des Nikolaisaals angekündigt? Davon abgesehen spielte die Kammerakademie makellos, Bettina Lange als Flötistin gab sowohl beim barocken Flötenkonzert als auch als maskierte Flöten- und Gesangsartistin der Avantgarde ihr Bestes. Fazit: Ein dissonanter Abend, aus dessen Fehlern gelernt werden sollte.Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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