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Kultur: Mit Argusaugen

Klaus Büstrin

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Mehrmals schon sollte das Hans Otto Theater ein neues Haus erhalten. Aber immer wieder wurde ein Neubau verschoben, kurz nach der Wende der Rohbau des Theaters sogar abgerissen, weil dieser „am falschen Platz“ stand. Am 22. September 2006 ist es soweit: Am Havelufer in der Schiffbauergasse wird sich der Vorhang im neuen Haus öffnen. In unserer Serie wollen wir an die vergangenen Jahrzehnte des Theaters erinnern, an Künstler auf der Bühne, dahinter und davor, an Schauspiel- und Musiktheaterereignisse, an Episoden aus dem Theaterleben Potsdams.

HEUTE: Der Mozart-Zyklus

1993 schrieb Regisseur Peter Brähmig ins Programmheft zur Aufführung von Mozarts „Don Giovanni“; „Mit der Neuproduktion ,Don Giovanni'' verabschiedet sich das Opernensemble des Potsdamer Theaters von seinem Publikum, da ihm aus ,qualitativen Gründen'' die Bespielung des Schlosstheaters untersagt wird, die nunmehro in andere, berufenere Hände übergeht. Und es wurde auch höchste Zeit, waren doch Sänger, Chorsänger, Musiker, Dirigenten, Bühnenbildner und Regisseure so schlecht, dass sie dem Potsdamer, Berliner und internationalem Publikum nicht länger zuzumuten waren“. Nicht nur Sarkasmus spricht aus diesen Worten, sondern auch Bitterkeit. Brähmig vermutete, dass es für das Opernensemble keine Auftrittsmöglichkeiten auf der Bühne im Neuen Palais mehr geben, ihm selbst seine wichtigste Arbeitsstätte verwehrt werde. Das Ensemble wurde in der Folgezeit ganz und gar aufgelöst, doch das Hans Otto Theater inszenierte mit einem stets neu zusammengesetzten Ensemble weiterhin im Schlosstheater Opern – bis zum heutigen Tag. Für Peter Brähmig wurde der „Don Giovanni“ eine seiner letzten künstlerischen Arbeiten überhaupt.

Für den Regisseur war die Beschäftigung mit Mozart-Opern eine unverzichtbare Lebensaufgabe. Seit 1969 hat er immer wieder Bühnenwerke des Salzburger Genies in Szene gesetzt, vor allem dessen Hauptwerke „Cosi fan tutte“, „Die Entführung aus dem Serail“, „Die Hochzeit des Figaro“, „Die Zauberflöte“, „ La clemenza di Tito“ und „Don Giovanni“. Aber auch die früh entstandene und selten aufgeführte Oper „Lucio Silla“ wurde im Schlosstheater gezeigt. Außer der „Entführung“, „Titus“ und „Silla“ widmete sich Brähmig den anderen genannten Opern mehrmals. Auch weit außerhalb der Stadtgrenzen Potsdams, ja international, wurde der Mozart-Zyklus des Hans Otto Theaters bekannt. Er wurde in der DDR als Novität gefeiert. Nur noch an der Komischen Oper Berlin hat Harry Kupfer einen Mozart-Zyklus realisiert.

Brähmigs Lesart veränderte sich im Laufe der Zeit. Bei den ersten „Cosi“-, „Entführung“- und „Zauberflöte“-Inszenierungen erlebte man teilweise noch unbekümmert Heiteres, auch Märchenhaftes. Dann wurden die Aufführungen psychologisch dichter, auf die Aktualität hin untersucht, in denen der Regisseur überraschende und logische Fragen aus dem Stück heraus stellte, sie diesem nicht aufoktroyierte. Der Zuschauer erhielt niemals eine oberflächliche Antwort.

Ein hervorragendes Team stand Peter Brähmig zur Seite: Jürgen Heidenreich und Peter Heilein, die fantasievolle Ausstattungen entwarfen, Dirigenten wie Hans-Dieter Baum, Gotthard Lienicke, Stefan Sanderling, die dem musikalischen Geschehen farbiges Leben gaben, sowie Rosemarie Deichstetter, Eva-Marlies Opitz, Gabriele Näther, Klaus-Peter Hermann, Heinz Schmidt, Johannes Barthel, Thomas Wittig oder Will Erdmann, die zu dem homogenen Sängerensemble gehörten. Nicht nur die Premieren, auch die Repertoireaufführungen waren von großer Qualität bestimmt. Brähmig achtete nämlich an fast jedem Vorstellungsabend von seinem Platz in der Reihe 2 aus immer mit Argusaugen darauf, dass die Szene ihren hohen Anspruch behält.

Auch nach dem erfolgreichen Wirken von Peter Brähmig war und ist das Hans Otto Theater mit Opern von Mozart im Neuen Palais vertreten. Intendant Uwe-Eric Laufenberg versucht seit dieser Spielzeit wohl einen neuen Mozart-Zyklus zu initiieren. Mit „Titus“ ist ein vielversprechender Anfang gemacht.

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