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Kultur: Mit ausgetüftelter Klangrhetorik „Kleine Cammer-Music“ im Friedenssaal

Die kronprinzliche, später königliche Hofkapelle ist schon ein recht sonderbar Ding. In sie nimmt der König zunächst nur Musiker auf, die auch komponieren können.

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Die kronprinzliche, später königliche Hofkapelle ist schon ein recht sonderbar Ding. In sie nimmt der König zunächst nur Musiker auf, die auch komponieren können. Beispielsweise Carl Philipp Emanuel Bach, der seinem Vater Johann Sebastian die inzwischen legendär gewordene Begegnung mit Friedrich II. anno 1747 in Potsdam vermittelt. Doch der Sohn sei, so heißt es, der eigentliche Erfinder des königlichen Themas, mit dem der Herrscher seinen Gast auf die Probe stellt. Aus dem Auftrag, daraus gar eine sechsstimmige Fuge zu machen, komponiert Bach später in Leipzig sogleich ein Kompendium, das er „Musicalisches Opfer“ nennt. Es besteht aus einem drei- und sechsstimmigen Ricercar (wie man die Frühform der Fuge zu nennen pflegt), einer Triosonate, die dem flötespielenden Monarchen huldigt, sowie zehn kunstvollen Kanons, wovon zwei die Überschrift „Quaerendo invenietis“ (Suchet, dann werdet ihr finden) tragen. Die Einsätze nämlich. Ist es Friedrich gelungen? Dem Potsdamer Ensemble „Kleine Cammer-Music“ auf jeden Fall. Am Sonntag opferte sie im Friedenssaal das Opus auf dem Altar der intellektuellen Sinnsuche und sinnlichen Hörfreude. Der Gegenstand ihrer Untersuchung: barocke Klangrede.

Das komplexe, rhythmisch unregelmäßige und stark chromatische königliche Thema verarbeitet Bach zwischen überschaubar und verzwickt. Das einleitende Ricercar spielt Cembalistin Sabine Erdmann gestochen klar, wechselt fast unmerklich aus der Strenge in die verzierungsreichen Themenverwandlungen. Dabei spult sie diese nicht nähmaschinengleich ab, sondern weiß mit feinen agogischen Zutaten die Zuhörer in die Stoff-Materie einzuführen und bei der Stange zu halten. Kunstfertig nimmt sie wenig später das sechsstimmige Ricercar unter ihre stilsicheren Finger. Im „Canon perpetuus super Thema Regium“, Nummer zwei des Opfergangs, nimmt sich die Violine II (Rahel Mai) des nunmehr langgezogenen Themas an, die Traversflöte (Dora Ombodi) liefert den Kommentar, dann tritt das Violoncello (Kathrin Sutor) hinzu. Im Canon 1 trägt die Violine I (Wolfgang Hasleder) das Thema vor. Diesmal klingt es jedoch heller getönt.

Im Canon 3 ist dann die Traverso der Thementräger. Und so geht es fort und fort, stets in wechselnden Instrumentenkombinationen, was für angemessene Kurzweil sorgt. Dafür steht vor allem die Triosonate, von Dora Ombodi mit beinahe königlicher Hingabe und gleichmäßigem Ton sehr ausdrucksbeweglich geblasen. Immer sind die Musiker darauf bedacht, das Thema lichtstrahlgleich hervortreten zu lassen – gleichsam als Wegweiser im kontrapunktischen Geflecht ausgetüftelter Klangrhetorik.

Doch ehe man die Kanonikus bewundern und genießen kann, gibt es triosonatische Galanterien aus friderizianischem Umfeld zu hören. Die in c-Moll für zwei Violinen und Basso continuo aus der Feder von Johann Gottlieb Graun ist von lieblicher Leidenschaft geprägt. Gegenläufige, dann nacheinander einsetzende Melodiestimmen werden beschwingt, mitunter etwas schludrig in Intonation und Zusammenspiel musiziert. Folgen zu zupackender Saitenarbeiten? Dagegen wird das g-Moll-Trio Nr. 8 für Traverso, Violine und B. c. von Johann Philipp Kirnberger, eine eher simple musikalische Hausmannskost, von empfindsamen Flötentönen bestimmt. Die Ohren goutieren sie. Peter Buske

Peter Buske

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