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Von Babette Kaiserkern: Mit behutsamen aktuellen Akzenten

Großer Erfolg für „Die Entführung aus dem Serail“ im Schlosstheater im Neuen Palais

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Die Geschichte ist bekannt und sie wiederholt sich bis heute: Eine Gruppe von Europäern ist in muslimische Gefangenschaft geraten. Am Ende steht nicht immer die Befreiung, aber bei Mozart schon. Es ist eine lang schon bestehende europäische Konfliktsituation, auf der Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „ Die Entführung aus dem Serail“ basiert. Der Komponist und sein Librettist Johann Gottlieb Stephanie erfanden dafür eine Lösung in Gestalt eines märchenhaften Singspiels. Sie enthält neuartige, der Aufklärung verpflichtete Ideen und reichlich glühende, empfindsame, üppige Musik. Ganz auf ihre Wirkung setzt Regisseur Uwe Eric Laufenbergs „Entführung“, die als erste Produktion der Potsdamer Winteroper dieser Saison im Schlosstheater im Neuen Palais aufgeführt wird – eine Kooperation zwischen dem Hans Otto Theater und der Kammerakademie Potsdam.

Es ist erfreulich, wenn ein Regisseur mit Gespür für Musik und Respekt vor Mozarts Ideen die Zügel führt. Dieser hatte zur Komposition der Entführung geschrieben, dass „die leidenschaften, heftig oder nicht, niemals bis zum Eckel ausgedrücket seyn müssen“. Laufenbergs Inszenierung klebt nicht an betulichen Traditionen fest, sondern setzt behutsam aktuelle Akzente. Für den, der sehen und denken möchte, gibt es durchaus Anregungen. Diese Inszenierung wirkt wie ein angenehm-leichtes Soufflé, das man auch dann noch gern verzehrt, wenn der Magen bereits gefüllt ist mit schwererer Kost aus dem Arsenal unserer mediengesättigten Welt. Sie verhält sich wie ein Smart zu einem Mercedes 500: klein, kompakt und hochwertig. Das Bühnenbild (Matthias Schaller) mit seinen maurischen Säulen und Kacheln, der Treppe im Hintergrund ist ideal für das Spiel der Darsteller. Die Kostüme (Antje Sternberg) markieren die kulturellen Unterschiede zwischen Okzident und Orient. Für viele Szenen findet die Regie treffende Bilder und Bewegungen. Anrührend wirkt es, wenn Konstanze bei der Arie „Traurigkeit ward mir zum Lose“ einsam zu Bett geht, kintoppmäßig turbulent geht es oftmals zwischen Pedrillo und Blondchen zu, geradezu chaplinesk wird es bei Pedrillos Draufgänger-Arie „Frisch zum Kampfe“. Tänzerisch raumgreifende Figurenkonstellationen verdeutlichen die Spannungen der umwerfend bewegenden, vielschichtigen Musik des großen Quartetts am Ende des zweiten Akts. Mit einer ansehnlichen Werkzeugsammlung trägt Osmin zu Konstanzes Marterarie bei. Dass aber Belmonte währenddessen gequält wird, steht nicht im Text, fällt aber wohl unter das allgemeine Regiestichwort „Visualisierung“. Dazu gehört auch, dass die züchtig schwarz verhüllten Haremsdamen am Ende die Hüllen fallen lassen und ein paar Takte lang lasziven Bauchtanz markieren dürfen, zirkushaft.

Die sehr gut besetzten Sänger überzeugen weitestgehend. An erster Stelle rangiert die Konstanze von Jutta Böhnert, deren grazile Erscheinung in erstaunlichem Kontrast zur Stimme steht. Mit ihrem glockigen, gut geführten Sopran vermag die Säüngerin alle emotionalen Register von Leidenschaft, Empfindsamkeit und Standhaftigkeit glaubwürdig zu ziehen. Belmonte wird von dem jungen in Potsdam geborenen Tenor Marco Jentzsch gesungen. Er verfügt über eine schöne Stimme mit hellem Timbre, beherrscht Artikulation und Phrasierung. Doch er wirkt noch zu bemüht, alles richtig zu machen, wie ein fleißiger Meisterschüler. Anna Palimina gibt glaubhaft ein aus derbem Holz geschnitztes Blondchen, hier einmal ganz antiklischeehaft dunkelhaarig. Sie singt mit Aplomb und Temperament und gibt ein gutes Pendant zu Pedrillo. Der Australier John Heuzenroeder zeigt buffoneske Spiellust und schönen Tenorglanz. Viel Bühnenpräsenz zeigt auch Wolf Matthias Friedrich, der die boshaften Facetten seiner Rolle als Osmin genüsslich auskostet und stimmlich voll auf der Höhe ist. Ein glücklicher, Authentizität verleihender Regieeinfall ist es, den Selim Bassa von dem irakischen Schauspieler Ihsan Othman in arabischer Sprache spielen zu lassen. Die stark reduzierte Kammerakademie Potsdam spielt unter der Leitung von Konrad Junghänel schlackenfrei, präzise und temperamentvoll.

Eine gelungene Inszenierung, die zeigt, dass die „Entführung aus dem Serail“ durchaus in solch bescheidener Version großen Hör-und Sehgenuss bieten kann.

Babette Kaiserkern

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