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Kultur: „Mit Berieselung hat das nichts zu tun“

Wolfgang Hasleder und Kaspar von Erffa über das „neue, alte“ Quatuor Voltaire, alle Streichquartette Beethovens in sieben Konzerten und den Auftakt am Mittwoch im Friedenssaal. PNN verlosen Freikarten

Stand:

Herr Hasleder, am morgigen Mittwoch sind Sie mit Ihrem, wie Sie sagen, „neuen alten“ Streichquartett Quatuor Voltaire im Friedenssaal zu erleben? Was ist neu, was ist anders?

Wolfgang Hasleder: Ein Streichquartett ist eine anspruchsvolle Besetzung, die höchste Übereinstimmung auf verschiedenen Ebenen erfordert. Da wären Spieltechnik, Fertigkeit und Musikalität, aber in erster Linie eine gemeinsame Zielsetzung der Musiker, sonst lässt sich eine solche Formation über längere Zeit nicht aufrechterhalten. Das Streichquartett erfordert Langfristigkeit, denn es wird nicht ohne Grund als eine Königsdisziplin bezeichnet. Letztendlich ist es das große Fernziel eines jeden Streichers und ich hatte in diesem besonderen Fall mit dem Quatour Voltaire vor allem sehr großes Glück.

Also waren es glückliche Umstände, die aus Ihrem Quartett, mit dem Sie schon im vergangenen Jahr aufgetreten sind, etwas Neues werden ließen?

Hasleder: Ja, einerseits das doch eher unwahrscheinliche Glück, das ich jetzt erst hatte, auf Menschen zu treffen, die diesen gemeinsamen Traum von einem Quartett teilen. Wir haben in dieser Besetzung zum ersten Mal im vergangenen Jahr zusammengespielt und sofort gemerkt, dass wir auch weiterhin etwas zusammen machen müssen. Und diese glücklichen Umstände haben uns zu der Entscheidung kommen lassen, beginnend mit dem kommenden Jahr alle Streichquartette von Beethoven aufzuführen.

Herr von Erffa, Sie moderieren die Konzerte von Quatuor Voltaire und verweisen damit auch auf etwas Neues: die Zusammenarbeit der Musiker mit den Höfischen Festspielen Potsdam. Was fasziniert Sie am Streichquartett?

Kaspar von Erffa: Ich mag dieses kleine Ensemble, das musikalisch einen unwahrscheinlich großen Raum einnimmt. Was hier mit verhältnismäßig einfachen und überschaubaren Mitteln geschaffen wird, ist weit mehr als nur das Zusammenspiel von vier Solisten. Und gerade die Möglichkeit, dass man beim Zuhören jede einzelne Stimme wahrnimmt, ihr folgen kann, ohne die anderen zu vernachlässigen, also die Dialoge und Auseinandersetzungen dieser Stimmen immer wahrnimmt, ist einfach faszinierend. Und das Schöne an einem Konzert mit einem Streichquartett ist diese gewisse Intimität, die wir da erleben.

Diesen hohen Anspruch erfüllt das noch junge Quatuor Voltaire?

von Erffa: Nicht nur das. Was mich an diesem Quartett auch so begeistert, ist die Entscheidung für historische Instrumente.

Hasleder: Das Streichquartett ist ja in der Alten-Musik-Szene eher eine Randerscheinung. So empfinden wir es als besondere Herausforderung, zu zeigen, dass historische Instrumente nicht nur fähig, sondern in besonderer Weise sogar dafür geeignet sind, das klassische und das frühromantische Repertoire authentisch darzustellen.

Bis 2017 wollen Sie alle 16 Streichquartette Beethovens und seine Große Fuge in sieben Konzerten spielen. Damit hängen Sie die Messlatte von Anfang an ziemlich hoch. Hinzu kommt, dass Streichquartette vom Publikum eine erhöhte Aufmerksamkeit verlangen, also recht anspruchsvoll sind. Ist ein solcher Konzertblock dann nicht vor allem ein großes Wagnis?

Hasleder: Zuerst einmal ist das für uns eine Herausforderung, gleichzeitig aber auch ein kalkuliertes Wagnis. Da haben wir aber das große Glück, dass wir mit den Höfischen Festspielen zusammenarbeiten. Für uns Musiker bedeutet die intensive Auseinandersetzung mit Beethoven dann sowohl ein Austesten der Grenzen, gleichzeitig ist das aber auch eine Erweiterung des eigenen Horizonts. Wir proben schon jetzt für Beethoven, denn es braucht schon ein Jahr, um hier ein entsprechendes Niveau zu erreichen.

von Erffa: Aber bevor Beethoven auf dem Programm steht, gehen wir mit unseren ersten beiden Konzerten in diesem Jahr zu den Anfängen des Streichquartetts zurück. Also in die Phase des Suchens. Und ich hoffe, dass es uns gelingt, dieses Suchen, das Entstehen und die Weiterentwicklung des Streichquartetts bis hin zu der Meisterschaft, das es unter Beethoven und später Schubert erfahren hat, aufzuzeigen.

Mit der Konzertreihe füllen Sie auch eine Lücke in Potsdam, denn regelmäßige Konzerte mit Streichquartetten sind in der Stadt nicht zu erleben.

von Erffa: Ja, das war auch einer unserer Ansätze, denn es geht uns ja darum, die musikalische Landschaft hier zu bereichern und niemanden zu verdrängen. Und das Format Streichquartett ist in Potsdam unterrepräsentiert. Aber ob das wirklich so anspruchsvoll für das Publikum ist, möchte ich bezweifeln. Es gibt zwar diese Klischees, die gern damit in Verbindung gebracht werden, dass wir bei einem solchen Konzert ganz ernst sein müssen und der Genuss auf der Strecke bleiben könnte. Unser Ziel ist es, auch durch die Moderation, Brücken zu bauen und so Hemmungen abzubauen. Und wenn ich an das Konzert im November denke, wo eines der „Preußischen Quartette“ von Mozart auf dem Programm steht, dann ist das in gewisser Weise auch gute Unterhaltungsmusik. Wenn es uns gelingt, den Besuchern einen schönen und genussvollen Konzertabend zu bieten und gleichzeitig etwas mitzugeben über die Entstehung der Quartette und das Leben der Komponisten, dann haben wir viel erreicht.

Aber Sie werden doch nicht bestreiten, dass Streichquartette den Zuhörer mehr fordern, dass ein solches Konzert immer auch eine positive Anstrengung bedeutet?

von Erffa:  Mit Berieselung hat das natürlich nichts zu tun, das ist richtig. Und selbstverständlich hat man mehr von einem solchen Konzert, wenn man sich darauf einlässt. Der Reiz bei den Konzerten mit Quatuor Voltaire liegt ja vor allem darin, einerseits die Entstehung und Entwicklung des Genres Streichquartett zu erleben und andererseits die Entwicklung und Entfaltung der Musiker von Quatuor Voltaire zu begleiten.

Wie kam es zu der Kooperation mit den Höfischen Festspielen?

von Erffa: Durch einen Zufall. Die Höfischen Festspiele hatten sich im vergangenen Jahr kurzfristig dazu entschlossen, in Hoppegarten eine Barockgala zu veranstalten. Da hatte ich dann einen Musiker gesucht, der trotz der kurzen Vorlaufzeit in das Projekt einsteigen würde und so Wolfgang Hasleder kennen und schätzen gelernt. Unsere gemeinsame Zusammenarbeit beschränkt sich dabei nicht nur auf die Konzerte mit den Streichquartetten, sondern auch auf die Wiederaufnahme unserer barocken Pferdeoper „Le Carrousel de Sanssouci“ im September, für die wir Wolfgang Hasleder als Konzertmeister gewinnen konnten.

Mit „Eine verspielte Annäherung“ haben Sie das Konzert am morgigen Mittwoch im Friedenssaal überschrieben. Annäherung heißt ja auch, dass sich der Beginn des Streichquartetts nicht eindeutig festlegen lässt. Aber wie kam es zur Herausbildung dieser kammermusikalischen Formation?

Hasleder: Darüber ließe sich wirklich streiten, ab wann wir von Streichquartetten reden können. Natürlich ist es richtig, wenn man sagt, Haydn hat im Alleingang das Streichquartett begründet. Aber zur selben Zeit hat auch Boccherini entsprechende Kompositionen veröffentlicht. Zwar haben die sich nicht als Streichquartette behauptet, aber es sind ganz klar welche. Neu war in diesem Zusammenhang die Emanzipation des Cellos, es also rauszunehmen aus der angestammten Bassfunktion. Und gleichzeitig auch die Emanzipation der Bratsche, die bisher immer nur zur Verdopplung des Bassinstruments diente und nun zu einer selbstständigen Stimme wurde. Aber das Wort Streichquartett gab es damals noch nicht. So haben sich die Komponisten in Begriffe wie Divertimento geflüchtet, denn Sonata a quattro wollten sie das auch nicht nennen.

Mit Joseph Haydn und Luigi Boccherini stehen bekannte Komponisten auf dem Programm. Doch mit Josef Starzer und Georg Matthias Monn haben Sie eher unbekannte ausgewählt.

Hasleder: Ja, aber das Interessante an Georg Matthias Monn ist, dass sich in einer seiner Fugenquartette, wo als Einleitung immer eine Fuge stand, das komplette Thema der Kyriefuge aus Mozarts „Requiem“ mit allen Details findet. Und das 50 Jahre früher. Natürlich lassen sich ähnliche Elemente auch bei Händel finden. Aber was Monn hier komponiert hat, das hat bis heute als Auftakt für das Genre Streichquartett eine erhebliche Relevanz.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Das Konzert „Eine verspielte Annäherung“ mit dem Quatuor Voltaire findet am morgigen Mittwoch, 19.30 Uhr, im Friedenssaal der Friedenskirchengemeinde, Schopenhauerstraße 22, statt. Der Eintritt kostet 22, ermäßigt 18 Euro. Die PNN verlosen am heutigen Dienstag ab 10 Uhr zweimal 2 Freikarten unter Tel.: (0331) 23 76 116

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