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Kultur: „Mit Brel begann für mich alles“

Klaus Hoffmann begeisterte im Nikolaisaal

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Der Flügel stand ein wenig in der Ecke, die Gitarre war vom Scheinwerfer angestrahlt, als der von seinem Publikum gleich mit einem warmen Applaus empfangene Sänger Klaus Hoffmann im grauen Anzug auf die Bühne des Nikolaisaals trat. Schon sein erster Satz „Bitte noch mehr von diesem Geräusch“ stellte die Gesprächsebene her: kokett, ironisch und liebevoll zugleich war die Moderation, die Hoffmann am Sonntag Abend routiniert darbrachte – und sich auch immer wieder über sich selbst lustig machte. Schon auf seiner ersten Platte 1977 gab es ein paar Lieder des großen Vorbilds Jacques Brel, und im letzten Jahr hat er eine CD mit deutschen Adaptionen der Chansons des 1978 verstorbenen französisch-belgischen Sängers herausgebracht. „Wenn nur die Liebe bleibt“, lautet der Titel, und auf Gefühl war das Publikum eingestellt.

„Mit Brel begann für mich alles“, gestand Hoffmann, der seinen Lebensweg mit dem des Flamen verknüpfte und nach der Todesnachricht dachte, jetzt könne er nie mehr Brel singen. Er strafte sich Lügen, sehr zum Gefallen seines Publikums. Klaus Hoffmann imitiert Brel nicht, er gibt ihm eine ganz eigene Note und verschmilzt fast ganz mit dem Idol. Und doch wieder nicht. Denn das, was Brel an intensiver Sentimentalität, die in den 60er und 70er Jahren akzeptiert wurde und auch seinem Wesen entsprach, in die Lieder legte, das versucht Hoffmann durch eine zurückgenommene Haltung so dem Zeitgeschmack anzupassen, dass exakt so viel Gefühl dabei herauskommt, wie man das im Jahr 2007 auch anerkennen kann.

Und: hatte das Publikum ganz zu Beginn schon den Erfolgssong „Adieu Emile“ erwartet, wurde es milde enttäuscht: Zwar intonierte Hawo Bleich am Flügel ganz kurz diese Melodie, doch Hoffmann wartete zunächst mit dem weniger bekannten und lakonisch die Liebe zu Paris beschreibenden „Die Vornamen von Paris“ auf. Die Hände in den Taschen, dem Mikrophon hingegeben, gleitet das Sprechen langsam in Gesang über. Um dann mit „die Spießer“ eine Gemeinsamkeit der Auflehnung gegen diese Sorte Kleinbürger zu entfachen, die wohl auch dem jungen Hoffmann eigen war, als er beschloss, nach dem Schauspielerfolg in „Die neuen Leiden des jungen W.“ nicht nur auf die Mimenkarriere zu bauen, sondern sein eigenes Ding zu machen. Das hat er bis heute getan, hat neben seinen Liedern auch Bücher geschrieben – darunter „Afghana“. Man könne es in der Pause schnell lesen, witzelte er, schließlich seien es nur siebenhundert Seiten. Von seiner Sehnsucht erzählte der Sänger – und die ist wohl auch die Brücke zu Brel, der sich mit 350 Konzerten im Jahr verausgabte, trank, rauchte, was das Zeug hielt und viele Frauen hatte. Diese liefen ihm nach, obwohl er ein Macho war – hier distanzierte sich der singende Schauspieler liebevoll, aber deutlich von Brel. Immer wieder erzählte er von seiner Selbstfindung durch Reisen und durch die Lieder, und gab vor der Pause „In den Quais von Amsterdam“, um mit „Madeleine“ wieder in die Vollen zu gehen, sich über das Altern und die Alten – „Les vieux“ – lustig zu machen, und auch über seine mangelnden Französischkenntnisse beim ersten Brel-Hören. Diese Wissenslücke ist geschlossen, was seinen poetischen Nachdichtungen des Brelschen Liedguts anzuhören ist, und dass die lakonische Sentimentalität diesem Erbe durchaus wohl tut, war einer der Gründe, weshalb das Konzert sehr hörenswert war.

Als zweite Zugabe durfte man sich wiegen in „Emile“ – und manche standen sogar zur Huldigung des Künstlers von ihren Sitzen auf. Lore Bardens

Lore Bardens

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