zum Hauptinhalt

Kultur: Mit dem Rücken sieht man nicht

Unglücklicher Besuch: Eine Journalistin hat sich die aktuelle China-Ausstellung im Kunstwerk angesehen

Stand:

China ist groß, China ist weit, China ist unergründlich. Will man diese fremde Kultur verstehen, muss man Offenheit mitbringen, sich über vorgefasste Meinungen hinwegsetzen, Augen und Ohren aufsperren und auch mal über den eigenen Schatten springen.

Und China wird immer wichtiger. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell. China öffnet sich, wenn auch nicht gleich für alle Internetseiten, aber immerhin, eine Bewegung hin zur Welt mit dem Geld ist da. Das ist inzwischen auch in Potsdam zu bemerken. Für den Sommer hat die Galerie Ruhnke die erste Schau chinesischer Kunst angekündigt, und im Kunstwerk des „offenen Kunstvereins“ läuft noch bis zum 10. Juli eine Ausstellung mit dem viel versprechenden Titel „Mit dem Rücken nach vorn“.

Man sollte den Titel wörtlich nehmen. Denn die Journalistin musste bei ihrem Besuch im Kunstwerk, trotz offizieller Öffnungszeit der Galerie, quasi mit dem Rücken nach vorn gehen: Die eigentliche Eingangstür war verschlossen und sie gelangte erst über ein paar Lochblechstiegen, die sich gegenüber befanden, ins Haus. Erst einmal kam die Journalistin in das voll besetzte Büro des zu diesem Zeitpunkt doch irgendwie geschlossen wirkenden Kunstvereins. Drei Rücken bereiteten einen mehr oder weniger freundlichen Empfang. Als sich die Gesichter doch noch dem offensichtlichen Eindringling zuwandten, konnte die Journalistin vermuten, dass die drei auch ihren Rücken lieber von hinten gesehen hätten. Dann gaben sie aber doch noch zu, dass die China-Ausstellung an diesem Tag eigentlich geöffnet sei.

In die obere Etage geschickt, bekam sie dort tatsächlich etwas zu sehen. Wenn auch in einem schummrigen Raum, aber klar, Strom ist teuer und China ist so reich nicht. Und immerhin konnten dadurch die seidenen Stoffarbeiten, die religiöse Szenen mit dicken, sechsarmigen Buddhas zeigen, besser leuchten. Leider blieb der Künstler dieser Werke namenlos, das Schildchen, sollte es jemals eines gegeben haben, war nicht zu entdecken.

Dafür aber konnte man an der großen Fotocollage, die der Ausstellung den Titel gibt, den ersten fremdländischen Namen des Urhebers lesen: Shi Guan fotografierte einen Herrn mit dem Rücken zur Kamera, der in wechselnden Landschaften steht, mal auf Geröll, mal in der Wüste, mal vor einer Stadt oder im Schnee. Und die Installation, die in Form kleiner, unzähliger Männchen aus glitzerndem Papier die Wände hochklettert und „Menschen“ heißt, stammt von Su Ouang. Im unteren großen Ausstellungsraum hängen mehrere Fotoarbeiten an den Wänden. Die gänzlich mit Augenbildern tätowierten Menschen wurden von Gao Yu fotografiert, buddhistische, farbintensive Interieurs von Yu Gau hängen neben vergilbten, in einen kleinen Rahmen gezwungene Familienansichten von Hongli Zhao.

Die Videos, für die ein kleiner Raum reserviert wurde, in dem viele Stühle offenbar vergeblich auf Besucher warteten, strahlen leider auch kein helles Licht chinesischer Kultur in den Raum. Unübersetzt werfen sie den Betrachter in eine Modenschau, in der schlanke Models mit Kleidern, die aus alten Reifen hergestellt sind, über den Laufsteg streben, oder in Szenen mit bikinibekleideten jungen Frauen, die sich auch mal zu Füßen verhüllter Männer legen.

Schade, dass China in diesem Fall so verschlossen wie zufällig wirkt – und so weit entfernt bleibt. Ein wenig Übersetzungshilfe täte nicht nur den Künstlern gut, sondern gäbe dem Verein die Chance, zumindest seinen Willen zur Offenheit zu demonstrieren. Lore Bardens

Lore Bardens

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })